Die Wassermuehle
mehr versteht. Sprache kommt aber auch gern als unüberlegte Plapperei daher, sei es Society-Smalltalk oder Gartenzauntratsch, die sich bestenfalls in der rhetorischen Brillanz unterscheiden, wie die blaublütige Bäuerin Elli überrascht feststellt.
Was die Zitate angeht, stimme ich Heinrich Heine zu, dass man sich mit Klugheiten anderer gut schmücken kann. Was jedoch meine Intention fürs Schreiben der Wassermühle betrifft, möchte ich es mit Vivienne halten: Schon immer habe ich Freude daran gehabt, den Worten nachzuspüren, die andere über Dinge gesagt haben, die mir wichtig sind. Die Sprache ist Mittel und Werkzeug, um die Menschen und die Welt zu verstehen, und, so schließt sich der Kreis, Kunst besteht darin, dieses Verständnis in Bilder mit einem Aha-Erlebnis zu übersetzen, sei es mit Hilfe von Form und Farbe, wie es Vivienne tut, oder literarisch, also editierend und schreibend, wie Elli es mit ihrer Literaturzeitschrift Die Wörtertruhe versucht.
Thoni: Oder mit einem Roman, der vordergründig als heitere Familiengeschichte daherkommt?
N.H. (lacht): Ertappt.
Thoni: Es geht aber nicht nur um Wörter und Bilder in Ihrem Roman, sondern auch leibliche Genüsse spielen eine große Rolle ...
N.H.: Allerdings. Essen ist etwas Wunderbares! Und gemeinsam zu essen eines jener Rituale, deren Verschwinden ich sehr bedaure. Meine Eltern haben beide gearbeitet, aber mindestens eine, oft zwei Mahlzeiten am Tag, wurden von allen gemeinsam eingenommen, das Frühstück und das Abendessen. Am Wochenende natürlich auch das Mittagessen. Für ein gemeinsames Frühstück stehen mein Mann und ich noch heute jeden Morgen extra eine halbe Stunde früher auf.
Thoni: Um perfekte Eier zu kochen?
N.H. (grinst): Auch, ja. Was zugegebenermaßen nicht immer gelingt. Im Ernst: Ich finde, es gibt nichts Traurigeres als alleine zu essen. Essen und Kommunikation gehören für mich unbedingt zusammen. Als Schriftstellerin kann ich damit natürlich herrlich spielen: Dass der Roman mit einem Frühstück anfängt und endet, ist ebensowenig ein Zufall wie das Scheitern der perfekt geplanten Dinners, mit denen Wolfgang Hedi rumzukriegen versucht. Und dass ein zugelaufener Kater nicht nur den Weihnachtsbraten, sondern für Hedi das ganze Fest verdirbt, mag für den Leser ein Grund zum Schmunzeln sein, für die Geschichte ist es nur folgerichtig: Hedis Leben ist längst aus den Fugen.
Thoni: Darf man nach alldem davon ausgehen, dass auch der Schauplatz der alten Mühle kein zufällig gewählter ist?
N.H.: Abgesehen davon, dass ich eine Vorliebe für alte Gehöfte und den Odenwald habe, war es für mich in der Tat reizvoll, den, wie Vivienne es ausdrückt, Antagonismus eines solchen Ortes mit meiner Geschichte zu verweben. Ich habe mich dabei der Worte Hermann Glasers bedient, die ich Vivienne in den Mund lege: Die Mühle ist ein Urbild unserer Existenz, da uns das Leben in seiner organischen Verbindung fasslich entgegentritt. Sie ist Sehnsucht nach Heimat, Gleichnis des Doppelten: Topos der Antinomie. Dieses Bild zu übersetzen in die Schicksale der Menschen, aber auch in die Sprache der Kunst und Literatur, war für mich als Schriftstellerin eine erfüllende Aufgabe, die ich jetzt in der Überarbeitung erst so richtig ausleben konnte.
Thoni: Was sich unter anderem in den ausführlichen Quellen- und Zitatangaben spiegelt.
N.H.: Als recht schwierig erwies es sich, meine in der Erstfassung versteckten Zitate wiederzufinden, zuzuordnen und sie noch besser zu pointieren. Ich hätte das gern vor dreizehn Jahren schon so gemacht, aber damals gelang es mir lediglich, eine eher subtile Anspielung auf mein Sujet Sprache unterzubringen: meine Zeichnung Worte. Wahrscheinlich haben sich viele Leser gefragt, was das bedeuten sollte. (grinst) Jetzt wissen sie’s. Übrigens stammt auch diese Zeichnung aus meiner polizeilichen Vergangenheit und ist deshalb, ebenso wie die doppelgesichtige Prinzessin, in Die Startbahn publiziert. Für die eBook-Ausgabe der Wassermühle habe ich erstmals den Versuch gewagt, meine im Roman verwendeten Zitate im Anhang nicht nur im Kontext zu belegen, sondern sie auch zu illustrieren und mit dem Romantext zu verlinken. Wer mag, kann nach dem Ende der fiktiven Geschichte eine zweite Reise in die Welt der Literatur und Kunst unternehmen.
Thoni: Sie erzählen aber nicht nur von der Macht der Sprache, sondern auch von der Bedeutung der Liebe. Ist Die Wassermühle also in Wahrheit ein Liebesroman?
N.H.: Jein. Der
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