Die Wassermuehle
dann aber, dafür die Form einer Erzählung zu wählen und den Roman vorwiegend heiter zu verfassen.
Viele Jahre lang stand auf meinem Schreibtisch ein Kästchen, in dem ich allerlei Kuriositäten sammelte, die mir im polizeilichen Alltag in die Finger kamen: Anhörbögen, Strafanzeigen, schriftliche Mitteilungen der Leute an Versicherungen, krude Formulierungen aus Vermerken und Berichten, Gerichtsurteile. Aber auch Merk-Würdiges aus der Tagespresse, wie zum Beispiel der Artikel über den zu intelligenten Polizeibewerber, fand den Weg in meine „Zettelbox“. Nachdem ich alles rausgestrichen hatte, was irgendwelche Rückschlüsse auf Sache oder Personen zugelassen hätte, habe ich das Kästchen meinen Protagonisten übereignet; vor allem Klaus’ Chef Michael Stamm zitiert im Roman mit Vergnügen daraus. Den glücklichen Türöffnungswinkel aus Kapitel 13, der den armen Klaus beinahe zur Verzweiflung treibt, habe ich 1992 in voller Länge unter „Kurioses“ in der Hessischen Polizeirundschau veröffentlicht.
Gespenster mittels Funkgerät zu vertreiben, sich mit zeternden oder sonstwie seltsamen Bürgern auseinanderzusetzen, wie es Klaus und Dagmar im Roman tun, all das gehörte tatsächlich zu den Aufgaben, die ich als junge Streifenpolizistin zu erledigen hatte. Die Lichtbildvorlage mit dem türkischen Mitbürger, der lauthals über die Kanaken in Deutschland schimpft, habe ich während meiner Zeit im Einbruchskommissariat durchgeführt, und Ayse Söngül, die in Wirklichkeit natürlich anders hieß, hat mir ihre traurige Geschichte, wie im Roman Klaus und Dagmar, bei einer Ermittlung erzählt. Meinem Zettelkasten und damit dem realen Leben entnommen ist auch die Strafanzeige jenes Zeitgenossen, den ich im Roman Dr. Türmann getauft habe, wegen der vorgeblich falsch frankierten Büchersendung. Die Akte kam als Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft ins Betrugskommissariat, wo ich damals arbeitete. Ich habe deswegen mit meinem Chef einen Streit vom Zaun gebrochen, weil ich mich veräppelt fühlte. In diese Zeit fiel auch die Gerichtsverhandlung, die Dagmar im Roman als Einakter aufführt. Was meine Zeit im Streifenwagen anging, so war sie zwar, auf meine gesamte Polizeilaufbahn gerechnet, nicht sehr lang, zuweilen aber überaus lustig.
Thoni: Manchmal bleibt einem das Lachen aber auch im Hals stecken. Die Szene, in der Klaus und seine Kollegin die Todesnachricht überbringen, geht unter die Haut.
N.H.: Auch das ist ein Teil des polizeilichen Alltags. Wie im Roman beschrieben, gibt es kein Richtig oder Falsch, und schon gar keine Patentlösung, wenn man, auf welchen Wegen auch immer, mit dem Tod konfrontiert wird. Erfahrung und Routine können helfen, aber alle Gefühle vermögen sie nicht einzufangen. Auch der dienstlich erfahrene Polizist Klaus streift ein solches Erlebnis nicht einfach mit den Kleidern ab. Vor allem, wenn er noch dazu private Probleme hat.
Thoni: Im Vorwort Ihres Romans schreiben Sie, dass Personen und Handlung erfunden sind, die Details dem einen oder anderen aber bekannt vorkommen könnten. Sind damit nur solche Erlebnisse gemeint, oder haben Sie auch reale Personen in Ihren Roman „eingebaut“?
N.H.: Ich hatte keinerlei Interesse, einen „Schlüsselroman“ zu schreiben. Bei meinen Protagonisten handelt es sich ausschließlich um sogenannte „Gemengepersönlichkeiten“, von einer Ausnahme abgesehen: Kommissar Kunze und seine berühmte Teekanne haben wirklich existiert. Er ist zwar längst pensioniert, aber wer jemals mit ihm gearbeitet hat, weiß beim Lesen sofort, wer gemeint ist. Alle anderen Personen haben keine „Originalvorlage“: Klaus und Uli habe ich beispielsweise viele Erfahrungen zugeschrieben, die ich mit älteren Kollegen gemacht habe, sogenannte Bärenführer, von denen ich viel lernen durfte. Die Unsicherheit, aber auch der Eifer, mit denen Dagmar in ihren Beruf startet, spiegeln zum Großteil meine Gefühle als junge Polizistin wider. Was das Privatleben angeht, habe ich biografisch mit ihr dagegen nichts gemein.
Bei der Beschreibung von Hedis Alltag im Krankenhaus und später als Gemeindeschwester, habe ich auf die Erzählungen meiner Mutter zurückgegriffen, die viele Jahre lang als Hilfsschwester im Krankenhaus und in der Altenpflege gearbeitet hat. Ellis Bücherschatz auf dem Dachboden spiegelt meine Vorliebe für Gedrucktes aller Art; auch in meiner Bibliothek stapeln sich die Bücher in Zweierreihen, und wie Elli habe ich mir den großen Wunsch
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