Die Wassermuehle
Besuch?“, setzte Sascha grinsend hinzu.
Hedi flüchtete ins Bad und suchte wütend nach einer Schere. Sie schnitt den schiefen Pony gerade, wusch sich die Haare und verteilte die dunkelbraune Schaumtönung auf ihrem Kopf, die sie auf dem Nachhauseweg für acht Euro fünfundneunzig im Supermarkt gekauft hatte.
„Gar nicht so übel, deine neue Frisur“, sagte Klaus am nächsten Morgen, als er aus dem Nachtdienst kam.
Drei Tage vor Heiligabend brachte Dominique ein Kätzchen mit nach Hause, das angeblich verloren durch Offenbach geirrt sei. Hedi fand, dass das Kätzchen eher wie ein fettgefressener Kater aussah.
Sie versuchte, die Angelegenheit vernünftig zu lösen. Das Tier habe vermutlich nur den Häuserblock verwechselt. Der Eigentümer suche bestimmt schon nach ihm. Man könne nicht einfach anderer Leute Katzen behalten.
„Du hast kein Herz, Mama!“, sagte Dominique.
„Ich kann in meiner Wohnung keinen Kater gebrauchen.“
„Das arme Tierchen hat bestimmt Hunger.“ Dominiques Stimme wurde weinerlich. „Wer weiß, ob es nicht von einem sadistischen Menschen gequält wurde? Oder ausgesetzt. Wie Alfred.“
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich deinen dämlichen Hamster nicht im Büsing-Park freigelassen habe!“
„Du konntest ihn von Anfang an nicht leiden.“
Hedi dachte an die Reste von Alfred, die sie beim Frühjahrsputz hinter dem Elektroherd gefunden hatte. Sie verzichtete auf ihre Rehabilitation. „Du bringst diesen Kater auf der Stelle ins Tierheim! Hast du mich verstanden?“
Eine halbe Stunde später kam Dominique mit dem Kater zurück. Das Tierheim sei leider voll. Man habe sie gebeten, ihren Fund bis nach den Feiertagen zu behalten.
„Leonardo wird dich nicht das kleinste bisschen stören, Mama. Ich versprech’s! Ehrlich!“
„Leonardo?“
„Er braucht einen Namen. Und du hast gesagt, dass er ein Kater ist.“ Leonardo strich schnurrend um Hedis Beine. „Sieh mal! Er ist ganz lieb.“
Gegen das Versprechen, die Stereoanlage ab sofort nur noch auf Zimmerlautstärke zu drehen, gewährte Hedi Kater Leonardo vorübergehendes Asyl. Dominique drückte ihr einen feuchten Kuss auf die Backe. „Danke, Mama. Hast du ein bisschen Geld?“
„Wofür?“
„Er braucht ein Klo und was zu essen, oder?“
Eine Stunde später verspeiste Leonardo eineinhalb Dosen feinstes Menü mit Meeresfrüchten. Danach schleckte er einen Viertelliter Katzenmilch und pinkelte auf den Teppichboden.
Zwei Tage vor Heiligabend fing Hedi mit der Grundreinigung der Wohnung an. Sie saugte die Teppiche, warf alte Zeitungen in den Müll, staubte Möbel und Bilder ab, brachte das Bad auf Hochglanz und stopfte den Inhalt des Wäschekorbs in die Maschine. Als sie das Pulver einfüllte, klingelte das Telefon.
Vivienne war bester Laune. „Hallo, Hedi! Wie geht’s? Ich habe lange nichts von dir gehört.“
„Hallo, Vivienne. Entschuldige, aber ich bin gerade auf dem Sprung.“
„Drei Minütchen wirst du wohl Zeit haben, oder?“ Sie fing an, die Menüfolge und Gästeliste ihrer Weihnachtsparty aufzuzählen.
„Ich rufe dich später zurück, ja?“, unterbrach Hedi.
„Ich würde mich wirklich freuen, wenn du kommen könntest.“
„Ich habe Familie.“
„Na und?“
„In einer halben Stunde fängt mein Dienst an.“
„Überleg’s dir.“
„Ja. Tschüss.“ Hedi lief ins Bad, schloss die Trommel der Waschmaschine und stellte auf Feinwäsche.
Im Wohnzimmer kroch Dominique über den Teppichboden. „Hast du zufällig Leonardo gesehen, Mama?“
„Nein.“
Hedi war gerade mit dem Umziehen fertig, als sie einen Schrei hörte. Erschrocken lief sie in den Flur und stieß um ein Haar mit dem pitschnassen Leonardo zusammen, der an ihr vorbei ins Wohnzimmer schoss. Er fegte den Adventskranz vom Tisch und verkroch sich hinter der Couch.
„Er war in der Waschmaschine! Du hättest ihn beinahe umgebracht!“, rief Dominique außer sich.
„Ich habe dir gesagt, dass du das verflixte Vieh nicht unbeaufsichtigt herumlaufen lassen sollst!“ Hedi zeigte ins Wohnzimmer. „Wenn das bis heute Abend nicht wieder in Ordnung ist, setze ich das Biest eigenhändig vor die Tür. Kapiert?“
Dominique fing an zu weinen. „Du bist ja so was von oberfies.“
Hedi hatte keine Zeit zum Antworten. Sie war so spät dran, dass sie nicht einmal Zeit fand, der Lächelnden Frau guten Tag zu sagen.
* * *
In den Vormittagsstunden des 24. Dezember lud Klaus eine nadelnde Fichte im Wohnzimmer ab. „Einmaliger
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