Die Wassermuehle
Sondereinsätzen mussten wir grundsätzlich auf sie verzichten.“
„Alles nur eine Frage der Organisation. Wenn sich zwei Kolleginnen eine Stelle teilen, könnten sie ...“
„Ich bekam monatelang kein Dienstfrei, weil die D-Schicht die Mindeststärke nicht erreichte.“
„Der Personalnotstand bei der Polizei wäre noch viel größer, wenn es keine Frauen gäbe.“
„Sie wurde ein Jahr vor einem Kollegen befördert, der dreimal bessere Arbeit leistete als sie und fünf Jahre länger bei der Polizei war. Zwecks Einhaltung der Frauenquote gemäß dem Frauenförderplan gemäß dem Hessischen Gleichstellungsgesetz oder so ähnlich.“
„Wir Frauen sind doch nicht schuld an dem, was unsere Politiker verbocken, oder?“
„Sie hat mich einen widerlichen Macho genannt, weil ich ihr die Tür zur Wache nicht aufgehalten habe.“
„Na ja, etwas freundlicher könntest du ab und zu schon sein.“
„Ich hatte eine Kiste mit Asservaten in den Händen.“
Dagmar musste lachen. Zwei Spaziergänger in gelben Regenjacken gingen vorbei. Neugierig schauten sie in den Streifenwagen. Klaus drehte den Funk leiser. „Außerdem hat sie mir die Frauenbeauftragte auf den Hals gehetzt, weil ich Uli einen harmlosen Witz erzählte.“
„Ich vermute, die Ärmste war blond.“
„Dem Benehmen nach schon.“
„Für die Bemerkung könnte ich dir die Frauenbeauftragte auf den Hals hetzen.“
Klaus zuckte mit den Schultern. „Nur zu.“
„Ich weiß gar nicht, wo die Frauenbeauftragte ihr Büro hat.“
„Im Polizeipräsidium. Zweiter Stock links, achte Tür rechts. Und was deine Vorgängerin angeht: Wenn es regnete oder schneite, verzichtete sie grundsätzlich darauf, bei Verkehrsunfallaufnahmen aus dem Streifenwagen zu steigen. Wegen der Frisur.“
„Du kannst doch nicht von einer auf alle schließen!“
„Mit Hans-Jürgen ist sie ab und zu in den Wald gefahren.“
„Ach ja?“
„Zum Bumsen.“
Dagmar startete den Streifenwagen und fuhr zurück in die Stadt. „Ich frage Michael, ob er mich jemand anderem zuteilt, okay?“
„Entschuldigung. War nicht so gemeint.“
„Das sagst du doch nur, weil du nicht mit Hans-Jürgen fahren willst!“
„Das spricht für dich, oder?“
„Das kleinere von zwei Übeln bedankt sich für die Ehre.“
Sie zuckte zusammen, als er sie am Arm berührte. „Ich hab’s wirklich nicht als Beleidigung gemeint.“
„Wie dann?“
„Mir geht es wie dem kleinen Flaschengeist.“
„Wie wem?“
„Du kennst den kleinen Flaschengeist nicht?“
„Wetten, dass das was Frauenfeindliches ist?“
Klaus schloss das Fenster und stellte den Funk lauter.
„Na los! Erzähl schon.“
„Ein Mann geht am Strand spazieren und findet eine verkorkte Flasche. Als er sie öffnet, kommt Nebel heraus. Der Nebel formt sich zu einer Gestalt, und die Gestalt spricht: Ich bin der kleine Flaschengeist. Ich kann dir einen Wunsch erfüllen. Prima, sagt der Mann. Bau mir eine Autobahn von Offenbach nach New York.“
Dagmar hielt an einer Ampel. „Ein ziemlich dämlicher Wunsch.“
„Du machst die ganze Pointe kaputt.“
„Sorry.“
„Der Flaschengeist zuckt mit den Schultern und sagt: Bedenke, lieber Mensch: Ich bin nur ein kleiner Flaschengeist. Ich kann nicht jeden Wunsch erfüllen.“
Die Ampel sprang auf Grün. Dagmar fuhr los.
„Gut, sagt der Mann. Ich überlege mir einen anderen Wunsch. Er überlegt eine Weile. Ich hab’s, ruft er. Mach, dass ich die Frauen verstehe! Der kleine Geist wird blass. Dann fragt er: Willst du die Autobahn sechsspurig oder achtspurig?“
Dagmar lachte. Sie bog in den Hof des Vierten Reviers ein. „Jetzt weiß ich endlich, warum die hier eine Straße nach der anderen bauen.“
Klaus angelte seine Uniformmütze vom Rücksitz. „Ich bin sechzehn Jahre lang mit Uli zusammen Streife gefahren. Man gewöhnt sich verdammt dran.“ Er meldete sich am Funk ab und stieg aus.
Dagmar fuhr den Streifenwagen in die Garage. Klaus wartete vor dem Hintereingang zum Revier auf sie. „Deine Vorgängerin wäre im Leben nicht auf die Idee gekommen, freiwillig auf der Fahrerseite in einen Streifenwagen einzusteigen.“
„Heißt das, du könntest dich eventuell an mich gewöhnen?“
„Wenn du mir die Frauenbeauftragte vom Hals hältst.“
Dagmar hielt ihm die Tür auf. „Bitte sehr! Notfalls kann ich dich auch allein im Wald verscharren.“
Klaus grinste. „Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel.“
K APITEL 14
A ls Hedi Vivienne Mitte Februar besuchte, war
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