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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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dran.“
    Hedi holte ihr gutes Geschirr aus dem Schrank und räumte den Couchtisch frei. „Klaus zog sich den Zorn seiner Mutter zu, weil er in Jeans erschien. Mein Neffe fuhr mit dem batteriebetriebenen Streifenwagen, den ich ihm als Geschenk mitgebracht hatte, über das Meißner Porzellan, und mein Schwager fiel eine halbe Stunde vor Mitternacht besoffen in den Pool.“
    „Das hört sich vielversprechend an. Und weiter?“
    „Danach hat er seine Frau und sämtliche Gäste beleidigt.“
    „Und dann?“
    „War die Feier vorbei.“
    „Schade. Da blieb dir ja gar keine Zeit, mit mir anzugeben.“
    „Leider doch.“ Hedi erzählte von ihrem Gespräch mit dem teuer gekleideten Damengrüppchen.
    „Und wie hieß diese Möchtegern-Kunstmaklerin, die behauptete, mich nicht zu kennen?“
    „Weiß ich nicht mehr. Aber sie behauptete außerdem, dass sie mit mehreren Frankfurter Künstlern zusammenarbeitet.“
    „Wahrscheinlich hat sie eine Hinterhofgalerie, in der Hobbymaler ausstellen.“
    Hedi schüttete eine Tüte Schokoladenkekse in eine Glasschale und stellte sie auf den Tisch. „Reg dich nicht auf. Sie war eine unsympathische Schnepfe. Anette hatte sie ohnehin nur eingeladen, weil sie in moderne Kunst macht. Meine Schwägerin ist nämlich der Meinung, dass Kunstobjekte eine prima Geldanlage sind. Ihre neueste Erwerbung stammt von einer Weihnachtsvernissage in Paris.“
    „Interessant.“
    Hedi holte den Kaffee und schenkte ein. „Das stört dich nicht?“
    Vivienne griff nach der Zuckerdose. „Was soll mich denn stören?“
    „Dass jemand Kunst nur als Kommerz begreift.“
    „Was ist das für ein Objekt, das deine Schwägerin gekauft hat?“
    „Sie nannte es Stele. Frag mich bitte nicht, was das ist. Aussehen tut’s jedenfalls wie ein Katzenkletterbaum.“
    Vivienne lächelte. „Stele ist griechisch und bedeutet Säule. In der antiken Kunst wurden Stelen als Grabmal oder Weihgeschenk verwendet. Der Zweck der Stelen war, die Aufmerksamkeit der Lebenden auf die Verdienste der Verstorbenen zu richten.“
    „Heißt das, Anette hat sich einen Grabstein ins Haus gestellt?“
    Vivienne trank einen Schluck Kaffee. „In Äthiopien hat man mit Ornamenten geschmückte Steinstelen ausgegraben, die zweifellos einen Phallus darstellen. Der abgeschnittene Penis des Feindes galt in prähistorischer Zeit als höchste Trophäe eines heldenhaften Kriegers.“
    Hedi grinste. „Aus Äthiopien stammt das Ding schon mal nicht. Außerdem ist es aus Holz und nicht aus Stein.“
    Vivienne nahm sich einen Keks. „Ich wollte dir lediglich den historischen Kontext erläutern. Weißt du, was deine Schwägerin für das Objekt bezahlt hat?“
    „Nein.“
    „Sammelt sie auch Bilder?“
    „Es hingen ein paar undefinierbare Sachen herum, aber ... Warum fragst du?“
    „Meine Agentin ist immer auf der Suche nach potenziellen Käufern für meine Arbeiten. Ohne zahlungskräftige Sammler könnten wir Künstler gar nicht überleben.“
    „Das Schlimmste, was einem Kunstwerk widerfahren kann, ist es, Anette in die Hände zu fallen.“
    Vivienne lächelte. „Im Prinzip ist es mir egal, wer meine Bilder kauft, und warum. Wichtig ist, dass ich zum Zeitpunkt des Verkaufs mit meinem Sujet im Reinen bin. Oder, um es mit Goethe zu sagen: Wer bei seinen Arbeiten nicht schon ganz seinen Lohn dahin hat, ehe das Werk öffentlich erscheint, der ist übel dran. Meine Bilder müssen die Reife haben, zu ihren jeweiligen Betrachtern zu sprechen. Wo sie das letztlich tun, interessiert mich nur am Rande.“ Sie trank ihren Kaffee aus. „Wo ist eigentlich der Rest deiner Familie?“
    „In der Schule und in Wiesbaden.“
    „Wiesbaden?“
    „Klaus hat einen Lehrgang an der Polizeiakademie. Aber ich denke, er kommt heute nach Hause.“
    „Du denkst es?“
    „Du wolltest von René erzählen.“
    Vivienne lehnte sich genüsslich in ihrem Sessel zurück. „Er ist ein absoluter Traumtyp: gutaussehend, sensibel, kunstinteressiert, vermögend. Ich bin total verliebt! Dass ich neulich so mies drauf war, tut mir leid. Ich hatte ziemlichen Stress mit Claude und ...“
    „Schon gut.“
    „Ich bin wirklich froh, dass wir Freundinnen sind“, sagte Vivienne.
    „Sind wir das?“, fragte Hedi.
    „Von meiner Seite aus schon.“
    Ein Schlüssel drehte sich in der Wohnungstür. Kurz darauf kam Klaus herein. „Oh! Ich wusste gar nicht, dass du Besuch hast.“
    Vivienne setzte das Lächeln auf, für das Hedi sie in der achten Klasse am liebsten erwürgt hätte,

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