Die Wassermuehle
vertragen sich Liebe und Geist so schlecht. Im Übrigen gibt es nur wenige Männer, für die die Liebe das Höchste in der Welt ist, und die wenigen sind bestimmt nicht die interessantesten.“
„Neulich hast du das aber anders formuliert.“
„Und wie, bitte?“
„Dass du die Liebe für die Entfaltung deines Talents brauchst oder so ähnlich.“
„Um jede Nuance meines Talents gleichermaßen zu entfalten, muss ich mich hin und wieder in einen anderen verlieben.“
„Wenn du meinst.“
Vivienne schenkte Hedi Tee nach. „Du solltest Das Wahnsinnsweib lesen. Dann gingen dir endlich die Augen auf, wieviel Spaß frau heutzutage mit den Männern haben kann.“
Hedi holte das Buch aus ihrer Tasche. „Die Augen sind mir nicht aufgegangen, sondern zugefallen.“ Sie legte Verena Kinds Roman auf die Annabella . „Ich kapiere bei Gott nicht, was an Sebastiane Schnöttenknöder emanzipiert sein soll. Allein der Name ist eine Disqualifizierung.“
„Sie lässt die Männer nach ihrer Pfeife tanzen, sie nimmt sich, was sie will, und sie schert sich nicht im Geringsten um Anstand und Konventionen.“
„Sie hat einen derart aufregenden Beruf, dass die Autorin kaum vier Sätze darüber verliert, was sie den Tag über Wichtiges tut, außer perfekt gestylt durch diverse Büros zu rennen und in der alles entscheidenden, nicht näher bezeichneten Konferenz ein bahnbrechendes Konzept zu präsentieren, das so geheim ist, dass sein Inhalt selbst interessierten Lesern verschwiegen werden muss. Gleichzeitig ist es so brisant, dass sich sofort eine Horde hinterhältiger, dickbäuchiger und karrieregeiler Kerle darüber hermacht, die es nicht verknusen können, dass eine Frau schlauer ist als sie. Doch Sebastiane Schnöttenknöder wäre nicht Sebastiane Schnöttenknöder, wenn sie nicht wüsste, wie man es den aufgeblasenen Typen heimzahlt: Zur Strafe vögelt sie einen nach dem anderen auf ihrem Designer-Schreibtisch durch und serviert sie anschließend eiskalt ab. Immerhin gilt es, sich für jahrhundertelanges Patriarchat zu rächen.“
Vivienne prustete los. „Du hättest Rezensentin werden sollen.“
„Selbstverständlich sieht unsere emanzipierte Heldin mit Mitte dreißig aus wie eine pfirsichhäutige Circe und bewohnt ein stilsicher eingerichtetes Zweihundert-Quadratmeter-Loft, in dem sie tage- und nächtelang darüber grübelt, wie sie den Einen und Wahren findet, der sich schließlich als der dickbäuchigste unter den karrieregeilen Kerlen entpuppt. Während Sebastiane Schnöttenknöder nach dem ganzen Stress auf einer Südseeinsel relaxt, sieht er ein, dass er ein frauenhassender Oberfiesling ist, schwitzt sich morgens im Fitness-Center ruck zuck den Bauch weg und abends in der Selbsthilfegruppe reuevoll die schlechten Manieren. Als das Wahnsinnsweib endlich sonnengebräunt heimkehrt, empfängt sie der nunmehr muskelgestählte, einfühlsame Traumprinz mit einem Arm voller Rosen und dem feierlichen Versprechen, zukünftig nicht mal mehr schlecht über Frauen zu denken. Dafür schenkt sie ihm neun Monate später ein pfirsichhäutiges Wunschkind, und selbst wenn sie gestorben sind, leben sie im nächsten Roman munter weiter. Wäre Verena Kind hundert Jahre früher geboren, hätte sie Hedwig Courths-Mahler geheißen.“
„Also, das geht jetzt doch zu weit!“
Hedi seufzte. „Entschuldige, das musste einfach raus. Auch wenn ich damit deine Lieblingsautorin tödlich beleidigt haben sollte.“
„Verena Kind ist nicht meine Lieblingsautorin“, stellte Vivienne klar. „Aber sie hat eine witzige Schreibe. Ich habe mich beim Lesen jedenfalls königlich amüsiert. Gib’s doch zu: Ein paar kleine Rachegelüste dem starken Geschlecht gegenüber tun manchmal ganz gut, oder?“
Hedi deutete auf die vom Buch halb verdeckte Titelschönheit der Annabella. „Ich kann diese toughen Überfrauen langsam nicht mehr sehen, die uns die Medien und die Werbeindustrie auf Schritt und Tritt präsentieren. Kinder und Karriere? Klar! Mutter und Model? No problem! Alles nur eine Frage der Organisation! Zehn Minütchen für die tägliche Po- und Busengymnastik, ein Viertelstündchen für die Haarpflege, ein bisschen Joggen und Kalorienzählen, abends zwei Überstündchen zwecks Karriereplanung, anschließend schnell die frischesten Lebensmittel eingekauft, um den Lieben daheim ein gesundes Mahl zu bereiten. Zwischendurch ein Pläuschchen mit der besten Freundin und ein pädagogisch wertvolles Gespräch mit dem Nachwuchs. Nach dem
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