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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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deren Wohnzimmer bis auf das Josef-Danhauser-Sofa, den Couchtisch und die beiden Palmen leer.
    „Wo sind deine Möbel?“, fragte Hedi überrascht. Ihre Stimme hallte an den Wänden wider.
    „Verkauft. Soll ich Tee kochen? Oder willst du lieber einen Kaffee?“
    „Stört dich diese schreckliche Leere denn nicht?“
    Vivienne lächelte. „Es macht den Raum erhaben und lenkt die Blicke der Besucher unmittelbar zur kunstvoll gestalteten Decke. Im Ernst: Ich warte täglich auf die Anlieferung der bestellten Jugendstilmöbel.“
    „Du siehst dünn aus.“
    Vivienne strich über ihren mit Kristallsteinchen besetzten Stretchrock. „Ich mache gerade die ultimative Eierdiät mit Abnehm-Garantie. Empfohlen von Professor Dr. Schramm.“
    „Aber du bist gertenschlank!“
    „Das ist Definitionssache, meine Liebe. Möchtest du nun einen Tee oder ...?“
    „Ja.“
    Vivienne verschwand in der Küche. Hedi stellte ihre Korbtasche neben das Sofa und setzte sich. Auf dem Tisch lag die neueste Annabella. Hedi blätterte darin. Auf der Seite mit den Shopping News blieb ihr Blick an einem grellroten Plastikband hängen. Es lag in einer mit Samt ausgeschlagenen schwarzen Schachtel.
    Vivienne brachte das Teegeschirr. „Studierst du etwa Modetrends?“
    „Ich glaub’s nicht: Die bieten tatsächlich Designer-Hundehalsbänder an! Auf Wunsch mit farblich abgestimmtem Kauknochen de Luxe . Damit auch bei Ihrem geliebten Vierbeiner das Lifestyle-Feeling stimmt. Das ist doch pervers, oder?“
    Vivienne stellte Hedi ein roséfarbenes Teeschälchen hin. „Nö. Lifestyle auf den Hund gekommen.“
    „Ich habe mal einen Grünkern-Gemüseauflauf nachgekocht, der in der Annabella als Kochtipp des Monats angepriesen wurde“, sagte Hedi. „Meine Familie trat geschlossen in den Hungerstreik.“
    „Deine Lieben wissen eben nicht, was gut ist.“
    „Ich habe anschließend drei Tage lang aufgewärmte Körnerpampe runtergewürgt. Ein kulinarischer Hochgenuss war das nicht.“
    Vivienne goss Tee ein. „Warum hast du das Zeug nicht in den Müll geworfen?“
    „Weil man das mit Lebensmitteln nicht tut!“
    „Du redest wie eine Trümmermutti in der Nachkriegszeit. Außerdem gibt’s viel bessere Tipps in der Annabella als Rezepte für döselige Aufläufe.“
    Hedi seufzte. „Alles, was ich bislang ausprobiert habe, ging daneben.“
    „Du solltest statt der Kochseiten lieber mal die Mode- und Kreativvorschläge lesen.“
    „Die funktionieren auch nicht.“
    Vivienne betrachtete schmunzelnd Hedis verwaschene Jeans und ihren schlabbrigen Wollpullover. „Du willst mir doch nicht weismachen, dass du jemals etwas anderes angezogen hast.“
    „Drunter schon. Zwecks Bereicherung des ehelichen Sexuallebens. So stand es jedenfalls in den Top-Tipps gegen müde Männer. “
    „Und?“
    „Klaus hat gelacht.“
    „Gott, was hast du für einen fantasielosen Mann.“
    „Der ist schon in Ordnung.“
    „Er geht dir nur ziemlich auf den Geist. Genau wie deine Kinder, die Leute im Krankenhaus und deine Tante Juliette.“
    „Tante Juliette nicht!“
    „Verstehe. Also nur dein Mann, die Kinder und die Leute im Krankenhaus.“ Vivienne nahm ihr die Zeitschrift aus der Hand und schlug die Heftmitte auf. „Das hier ist viel interessanter als irgendwelche Knochen oder Aufläufe. Ultimative Flirt-Spots! Wo Sie garantiert super Männer treffen!“
    „Wozu brauchst du das? Ich dachte, du hast René?“
    „René ist passé.“
    „Aber wie ...?“
    „Vergiss ihn.“
    „Ich kannte ihn gar nicht.“
    „Umso besser.“ Vivienne las vor: „Gourmettempel. Bestes Timing: Freitagabend und samstags. Einstiegstalk: Welche Beilagen würden Sie zu Sushi empfehlen? Inlandsflüge. Hohe Männerdichte! Businessmänner starten relaxed ins Weekend. Ich versteh einfach nicht, wie ich mit meinem Handy SMS-Meldungen verschicke! Skilift. Bis zum Gletscher Flirt-Time ohne Entkommen.“ Sie sah Hedi an. „Genial, oder?“
    „Tut mir leid, aber Männer, die auf so was reinfallen, halte ich für ziemlich blöd.“
    Vivienne zuckte mit den Schultern. „Wer zwingt mich, sie länger als eine Nacht zu ertragen?“
    „Mal ehrlich: Hast du René verlassen, oder er dich?“
    „Was tut das zur Sache?“
    „Es ist keine drei Wochen her, da hast du behauptet, dass du ihn liebst. Du bist rappeldürr und siehst aus wie ein Gespenst. Und ich soll dir glauben, dass dir das alles egal ist?“
    „Liebe ist Verzicht auf Widerstand, und Widerstand ist das Grundprinzip des Geistes! Deshalb

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