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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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zweihundertfünfzig Ärzten, aber sie konnten nichts feststellen.“
    „Sie haben keine Beweise“, sagte Michael.
    „Natürlich habe ich Beweise!“ Der Mann zog ein schmutziges Taschentuch aus seiner Hosentasche und schnäuzte geräuschvoll hinein. Das Produkt hielt er Klaus unter die Nase. „So hat das noch nie ausgesehen.“
    Klaus schob den Mann samt Taschentuch zur Tür. „Sie verschwinden auf der Stelle.“
    „Ja, aber ... Die wollen mich doch vergiften!“, jammerte er und bückte sich. „Ich hab noch mehr Beweise. Ich muss sofort meine Schuhe ausziehen.“
    „Raus!“, sagte Klaus.
    Zeternd verließ der Mann die Wache und schlug den Weg zum nächsten Wasserhäuschen ein.
    Michael grinste. „Du solltest dich wirklich ein bisschen mehr in Bürgerfreundlichkeit üben.“
    „Ich bin doch nicht der Idiotensachbearbeiter vom Vierten Revier! Wenn du mich suchst: Ich bin im Sozialraum.“
    Der Döner Kebab lag verpackt auf dem Tisch. Er war kalt.
    * * *
    „Das war vielleicht ein schrecklicher Tag heute“, sagte Klaus, als er abends nach Hause kam. Hedi bügelte Uniformhemden. Klaus küsste sie auf die Wange, setzte sich aufs Sofa, schaltete den Fernseher ein und schlug die Zeitung auf.
    „Sascha hat die Schule geschwänzt“, sagte Hedi.
    „Mhm.“
    „Hörst du mir zu?“
    „Ja doch.“
    „Stattdessen war er bei Corinna und hat ihren Freund verprügelt.“
    „Geschieht dem Kerl ganz recht.“
    „Klaus!“
    Hedi hörte das Telefon klingeln. „Gehst du?“, fragte sie.
    Klaus reagierte nicht. Wütend stellte Hedi das Bügeleisen beiseite. Das Klingeln kam aus der Küche. Das Telefon lag auf dem Tisch.
    „Guten Abend, Frau Winterfeldt“, meldete sich das Prinzesschen . Ihre Stimme klang tiefer als gewöhnlich, und das Gespräch dauerte keine Minute.
    Als Hedi ins Wohnzimmer zurückkam, war sie blass. „Tante Juliette ...“
    Klaus schaute nicht von der Zeitung auf. „Hat sie ein Zipperlein? Schick ’ne Genesungskarte. Ich unterschreib auch.“
    Hedi schaltete das Bügeleisen aus, stützte sich aufs Bügelbrett und weinte. „Sie ist tot!“

K APITEL 16
    W ährend der ersten Tage nach Juliettes Tod hörte Dominique die neuesten Hits in Zimmerlautstärke und räumte freiwillig den Tisch ab. Klaus aß kritiklos sein Frühstücksei, unterließ Anmerkungen zum Inhalt der Spülmaschine und ignorierte Ralfs Einladungen. Abends verzichtete er auf zwei von drei Nachrichtensendungen. Sascha klopfte seiner Mutter tröstend auf die Schulter und meinte, dass auch die tiefste Trauer irgendwann vorübergehe.
    Von Bernd und Anette kam eine Beileidskarte, ebenso von Vivienne und von Hedis Kolleginnen. Nur Oma Resi ließ nichts von sich hören. Sie war immer noch verärgert wegen der verpatzten Silvesterfeier und der festen Überzeugung, dass vor allem ihr jüngster Sohn und ihre Schwiegertochter schuld daran waren. Schließlich hatte Hedi mit ihrem unpassenden Geschenk die ganze Planung durcheinandergebracht und Klaus seinen Bruder vorsätzlich zum Trinken verführt.
    * * *
    Klaus begleitete Hedi zu Juliettes Beerdigung. Es war ein Montag, und die Sonne schien. Der kleine Friedhof von Hassbach war schwarz von Leuten.
    „Sieht aus, als wäre das ganze Dorf gekommen“, flüsterte Klaus Hedi ins Ohr.
    Sie nickte stumm. Die vielen teilnahmsvollen Blicke waren kaum zu ertragen. Sie erinnerten sie daran, wie selten sie hier gewesen war, wie wenig sie sich um ihre Tante gekümmert hatte.
    „Sie ist ganz friedlich gestorben. So, wie sie es sich immer gewünscht hat, Frau Winterfeldt“, hatte das Prinzesschen gesagt. „Morgens haben wir noch miteinander telefoniert, und als ich sie am Abend besuchen wollte, fand ich sie tot auf dem Sofa.“
    Und sie hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als mit Vivienne ein Plauderstündchen abzuhalten! Hatten sie sich vielleicht gerade über die hässlichen Kaffeetassen amüsiert, während Juliette einsam in der alten Mühle starb? Warum war sie nach Frankfurt und nicht in den Odenwald gefahren? Sie hätte doch Zeit gehabt! Und Juliette vielleicht noch einmal sehen können.
    Der Pfarrer sprach ein Gebet. Hedi hörte seine Stimme, aber die Worte drangen nicht zu ihr vor. Sie verabscheute die grüne Plane in der Grube vor ihren Augen, diesen vergeblichen Versuch, die lehmige Erde zu verdecken, unter der Juliette für immer verschwinden würde. Und mit ihr die Bilder einer glücklichen Kindheit.
    „... denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. Amen.“
    Ein Knopfdruck, und langsam

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