Die Wassermuehle
auf die umgekrempelten Manschetten ihres Uniformhemds. „Du solltest die Dinger das nächste Mal eine Nummer kleiner bestellen.“
„Entweder passen die Ärmel oder der Rest. Haben wir schon einen Auftrag?“
Klaus nickte. „Und wenn meine Ahnung mich nicht trügt, keinen besonders angenehmen.“
Dagmar nahm die Autoschlüssel vom Bord. „Das heißt?“
„Dein Streifenkollege befürchtet, du könntest angesichts einer modrigen Leiche aus den Latschen fallen“, sagte Michael grinsend.
„Blödmann!“, sagte Klaus.
„Wohin?“, fragte Dagmar, als sie aus dem Hof fuhr.
„Bahnhofstraße. Also, nicht dass du jetzt denkst ...“
„Was?“
„Wenn der tatsächlich seit Wochen tot in seiner Wohnung liegt, ist es kein besonders schöner Anblick. Und der Geruch ... nun ja.“
„Das wolltest du mir ersparen.“
„Mhm.“
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Du traust mir gar nichts zu, oder?“
„Äh ... Zur Bahnhofstraße geht’s links.“
„Ich weiß, wo der Bahnhof ist!“
„Aber ...“
Dagmar gab Gas und fuhr geradeaus. „Hast du nicht behauptet, dass du für unbedingte Gleichberechtigung bist?“
„Bitte entschuldige, aber ...“
„Ein für allemal: Ich bin nicht Kollegin Schmidt! Ich will keine Extrawürste gebraten haben, verdammt noch mal!“
„Ich wusste gar nicht, dass du fluchen kannst.“
„Du wirst dich wundern, was ich noch alles kann! Da vorn ist der Bahnhof. Welche Hausnummer war’s gleich?“
Klaus grinste. „Ich versuche, dir seit fünf Minuten mitzuteilen, dass sich der Bahnhof in der Bismarckstraße befindet.“
„Das ist doch ...!“
„Offenbach, wie es leibt und lebt: Wir haben eine Bahnhofstraße ohne Bahnhof und eine Domstraße ohne Dom. Die nächste links, bitte.“
Dagmar bog mit quietschenden Reifen ab. „Ich weiß, warum ich in Frankfurt wohne.“
Klaus hielt sich am Türgriff fest. „He! Der Möbius ist vermutlich schon seit Wochen tot. Du kannst also ruhig langsam fahren.“
Die Nachbarin von Hartmut Möbius hieß Johanna Schäffler. Sie war neunundsiebzig Jahre alt und so durcheinander, dass Klaus erst einmal ausgiebig ihre Kakteensammlung bewunderte, bevor er die Sprache auf Möbius brachte.
Sie deutete auf ein mit gehäkelten Schonbezügen behängtes Sofa. „Aber nehmen Sie doch bitte Platz. Wollen Sie etwas trinken?“
„Nein. Vielen Dank“, sagte Klaus. Dagmar schüttelte stumm den Kopf.
Johanna Schäffler setzte sich in einen abgewetzten grünen Ohrensessel. Nervös rieb sie ihre Hände an den Polstern. „Als ich gestern von einem Besuch bei meinen Kindern zurückkam, war der Rollladen im Schlafzimmer von Herrn Möbius heruntergelassen. Und das ist er sonst um diese Uhrzeit nie!“
Sie erzählte, dass sie ihren Nachbarn zuletzt vor ihrer Abreise im Treppenhaus gesehen habe. „Das war vor zwei Wochen, und er sah sehr blass und krank aus. Wissen Sie, nach dem Tod seiner Frau lässt er keinen Menschen mehr in die Wohnung. Er spricht kaum etwas und lebt sehr zurückgezogen. Aber er hat seine festen Gewohnheiten: Den Rollladen im Schlafzimmer lässt er nie vor sieben Uhr abends herunter. Nie! Und ich kam gestern gegen halb fünf zurück, und er war unten. Und heute den ganzen Tag über auch. Da stimmt was nicht! Wenn ich mir vorstelle, so allein in der Wohnung ... Vielleicht ist er hingefallen. Lieber Gott! Ich bin doch auch bald achtzig.“
„Sie erwähnten einen Geruch im Treppenhaus“, sagte Klaus.
„O ja! Herr Möbius ist ... Wie soll ich sagen? Nun, seit dem Tod seiner Frau ... Er hat die Wohnung mit irgendwelchen Sachen vollgestopft, und er lüftet nicht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sobald er aus der Tür geht, riecht man es im Treppenhaus. Und gestern und heute ... Also, da war nichts.“
Klaus stand auf. „Wir werden sofort nach dem Rechten schauen, ja?“
„Sagen Sie mir Bescheid, wenn ...?“ In ihren Augen standen Tränen.
Klaus gab ihr die Hand. „Aber sicher, Frau Schäffler.“
Er ging mit Dagmar einen Stock tiefer. Sie klingelten und klopften gegen Hartmut Möbius’ Wohnungstür, aber es rührte sich nichts.
„Herr Möbius!“, rief Dagmar. „Hier ist die Polizei! Bitte öffnen Sie!“
„Sonst müssen wir die Tür aufbrechen!“, setzte Klaus dazu.
Sie hörten schlurfende Schritte, dann drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Die Tür ging einen Spaltweit auf. Klaus sah in ein faltiges Gesicht und argwöhnische graue Augen. Ein Schwall übelriechender Luft wehte ihm ins Gesicht. „Herr
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