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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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restlichen Ersparnisse dabei, die ich Dir ebenfalls zu treuen Händen überlasse. Aber wie immer Du Dich entscheiden wirst: Meinen Segen hast du, Kind. Viele Grüße aus dem Jenseits, auch an Klaus und die Kinder. Deine Tante Juliette.“
    Hedi sprang auf und lief aus dem Zimmer.
    „Wollen Sie denn nicht wissen, wie hoch die restlichen Ersparnisse Ihrer verstorbenen Tante sind?“, rief ihr der Notar hinterher.
    * * *
    „Bist du glückliche Mühlenbesitzerin geworden? Oder hat Juliette ihr Anwesen dem örtlichen Tierschutzverein vermacht?“, fragte Klaus beim Abendessen.
    „Ja“, sagte Hedi.
    „Du oder der Tierschutzverein?“
    „Ich.“
    „Is ja irre!“, rief Dominique. „Uns gehört ’ne echte Wassermühle im Odenwald!“
    „Seit wann interessierst du dich fürs Landleben?“, fragte Klaus.
    „In dem Schuppen kann man bestimmt geile Feten abfeiern!“
    „Mit nach oben offener Dezibelskala“, sagte Sascha.
    „Ich kann mich erinnern, dass du und dein Bruder jedes Mal ein Mordstheater aufgeführt habt, wenn ich euch bat, Tante Juliette zu besuchen“, bemerkte Hedi.
    Dominique verzog das Gesicht. „Erstens hat man da draußen kein gescheites Handynetz, und zweitens hatte ich keinen Bock auf Schrumpfobst und Wollsocken.“
    „Und auf Vorträge über die verwöhnte Jugend heutzutage“, setzte Sascha dazu. „Fast so schlimm wie bei Oma Resi.“
    „Die schiebt wenigstens ab und zu Kohle rüber statt Räucherfisch.“
    Hedi suchte nach einem Taschentuch.
    „Ihr seid pietätlos“, sagte Klaus.
    „Mensch, Mama! War nicht so gemeint“, entschuldigte sich Sascha.
    „Doch“, sagte Dominique.
    Hedi schnäuzte sich. „Ich habe noch etwas geerbt.“
    Dominique grinste. „Fünf Kleiderschränke voll mit Wolle? Farblich unsortiert?“
    „Juliettes Sparbuch.“
    Klaus lächelte. „Was ist mehr wert: Das Papier oder das, was drauf steht?“
    „Das, was drauf steht.“
    „Und was steht drauf?“, fragte Dominique neugierig.
    Hedi knüllte das Taschentuch zusammen und steckte es in ihre Jeans. Drei Augenpaare sahen sie erwartungsvoll an.
    „Hundertfünfzehntausendvierhundertzehn Euro und dreiundzwanzig Cent“, sagte sie und räumte den Tisch ab.
    Am folgenden Tag begann Klaus, Immobilienanzeigen auszuwerten. Dominique benötigte dringend einen schnelleren Computer und eine Stereoanlage mit Fernbedienung und Subwoofer. Den baldigen Austausch ihrer Sommergarderobe und eine Verdoppelung ihres Taschengelds fand sie angemessen. Sascha fragte höflich, wann das Geld von Juliettes Sparbuch überwiesen werde, damit er sich rechtzeitig für den Führerschein anmelden könne. Er erwähnte beiläufig, dass seine Klasse beabsichtige, diesen Sommer nach Rom zu fahren.
    Klaus las Hedi Anzeigen vor, wie: Hübsches Einfamilienhaus mit Garten, zentral gelegen, leicht renovierungsbedürftig, nur 240.000 Euro , oder er telefonierte mit Maklern, die bezugsfertige Doppelhaushälften ohne Garage für sage und schreibe 295.000 Euro anboten. Zwischen Frühdienst und Nachtdienst addierte er Zahlenkolonnen in einem eigens angelegten Ringordner mit der Aufschrift Unser Eigenheim und rief Hedi nachts im Krankenhaus an, um ihr vorzurechnen, dass das Geld von Juliette plus seine Ersparnisse plus der vermutlich nicht allzu üppige Erlös aus dem Verkauf der Eichmühle reichen müssten, um die bei einem Hauskauf zu erwartende finanzielle Belastung in einem erträglichen Rahmen zu halten. Statt nach dem Nachtdienst zu schlafen, plante er Hausbesichtigungen ein, und elegant gekleidete, rhetorisch brillante Makler kutschierten ihn und Hedi durch den halben Landkreis, um ihnen lächelnd wahre Preisschnäppchen mit klitzekleinen Schönheitsfehlern zu offerieren.
    „Sie können sicher sein, dass nur tagsüber vor der Haustür Verkehr herrscht. Abends sind die Leute daheim, und Sie haben die herrlichste Ruhe!“
    „Na ja, ein paar Kleinigkeiten sind schon zu machen, aber die Substanz ist erste Sahne. Meine Hand drauf: Die Hochspannungsleitung hinter der Garage wird nächstes Jahr unter die Erde verlegt.“
    „Dieses Objekt ist wirklich ein außerordentlich gelungener Architektenentwurf. Der sechseckige Grundriss ist extravagant, gnädige Frau.“
    „Dass Möbel im Allgemeinen vier Ecken haben, ist dem Architekten wohl entgangen“, erwiderte Hedi säuerlich.
    Als der Geschäftsführer einer Immobilien GmbH Hedi abends beim Staubsaugen störte und fragte, ob man aus der alten Mühle baurechtlich ein Ferienzentrum machen dürfe, hatte sie

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