Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
E-Mail.«
Sie sah, wie Jack Robbins erstarrte: Offenbar konnte er seinen Bruder hören. Das gab ihr zu denken. Sie hatte vorgehabt, Captain Robbins zu überreden, ihr ihren kanadischen Pass zurückzugeben und Morris zurückzupfeifen, sobald er die Überweisungsbestätigung erhalten hatte. Das war eine ihrer schlechtesten Ideen, seit sie Toronto verlassen hatte, wie ihr mit einem Schlag bewusst wurde. Gott, du darfst auf keinen Fall ängstlich wirken . Gib ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. Bearbeite ihn, wenn er gerade erfahren hat, dass er die zwei Millionen Dollar so gut wie in der Tasche hat. »Danke«, sagte sie. »Aber auch dazu muss ich meinen Computer benutzen, ist Ihnen das klar?«
»Solange es nur ums Geschäftliche geht und Jack Sie im Auge hat, habe ich keinerlei Einwände.«
»Wie großzügig.«
»Ms. Lee, kommen Sie Ihren Verpflichtungen nach, dann erfülle ich meine.«
Sie gab Jack Robbins das Handy zurück. »Ich gehe jetzt einkaufen. Hier, sprechen Sie mit Ihrem Bruder.«
Robbins holte sie ein, als sie gerade zwei Flaschen Mineralwasser in den Einkaufskorb legte. »Hören Sie auf, vor mir wegzulaufen«, fuhr er sie an.
»Ich wollte nur Zeit sparen.«
»Mein Bruder war noch nicht mit Ihnen fertig.«
»Pech«, sagte Ava und hielt ihm den Korb hin. »Wenn Sie mir schon folgen, können Sie wenigstens den hier tragen.«
Robbins starrte sie an und sah ihr dabei zum ersten Mal in die Augen. Sein Blick war zwar nicht leblos, aber völlig desinteressiert, als sei sie ihm absolut gleichgültig. Sie wusste, es war unklug, ihn zu provozieren, doch sie brachte es einfach nicht über sich, nett zu ihm zu sein. »Gehen wir«, sagte er und ignorierte den Korb. Sie lief durch zwei weitere Gänge, legte Reiscracker, Käse, ein Glas Oliven und eine kleine Plastikpackung Hummus in den Korb. Robbins folgte ihr schweigend auf den Fersen, die behandschuhten Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben.
Draußen stellte sie fest, dass der Appartementkomplex nur einen Katzensprung entfernt war, und fragte Robbins, ob sie nicht laufen könnten. Er öffnete die Autotür und befahl: »Steigen Sie ein.«
Davey setzte sie vor dem Gebäude ab. »Brauchst du mich später noch?«, fragte er.
»Falls ja, ruf ich dich an«, gab Robbins zurück.
Doreen, die junge Frau, die sie am Abend zuvor in der Lobby getroffen hatten, saß an der Rezeption. Sie starrte ihr und Robbins ziemlich unhöflich nach, als sie hereinkamen und zum Aufzug gingen. Was für wilde Ideen ihr wohl durch den Kopf gingen?
Das Appartement war genau so, wie sie es hinterlassen hatten. Ava schaute nach Seto. Er lag auf der Seite, die Decke war ihm von den Beinen gerutscht. Seine Haare waren zerzaust und sahen ziemlich fettig aus, und er hatte getrockneten Speichel im Mundwinkel. Sie deckte ihn zu und hoffte, dass es nicht nötig war, ihn zu waschen.
Als sie ein Klirren aus dem Wohnzimmer hörte, schaute sie nach und sah Robbins, der die leeren Bierflaschen entsorgte. Sie ging zu ihm. »Ich brauche diesen Raum für mich, da ich eine Menge Papiere unterschreiben und mich konzentrieren muss, deshalb wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich in Ruhe lassen. Ich will auch nicht, dass der Fernseher läuft. Genauer gesagt kann ich keinerlei Ablenkungen gebrauchen, also wäre es ideal, wenn Sie in Ihrem Schlafzimmer bleiben, bis ich fertig bin.«
Seine Anspannung war überdeutlich, diesmal wollte er widersprechen. Bevor er reagieren konnte, ging sie an ihm vorbei und setzte sich an den Küchentisch. Er blieb beim Spülbecken stehen und starrte sie von oben herab an. Sie versuchte ihn zu ignorieren, nahm die Dokumente aus der Tasche, die ihr Bates gegeben hatte, und legte die Kopien daneben. Setos Pass, seinen Hongkonger Ausweis und den Führerschein legte sie in einer Reihe daneben. »Ich muss arbeiten«, sagte sie, ohne aufzuschauen.
»Fotze«, murmelte er.
Ava hörte es deutlich, ließ sich aber nichts anmerken. Sie durchsuchte ihre Tasche nach einem weiteren Dokument, einer Kopie von Setos letztem Überweisungsantrag, und legte sie neben die Ausweise. Dann schlug sie ihr Notizbuch auf. »Ich muss arbeiten«, wiederholte sie. Er machte zwei Schritte in Richtung Wohnzimmer, blieb stehen, drehte sich noch einmal zu ihr um, bevor er in sein Zimmer schlurfte.
Sie saß ein paar Minuten still am Küchentisch, um sich zu sammeln. Robbins lenkte sie ab, doch sie gab sich selbst die Schuld daran, dass sie sich von ihm derart auf die Palme bringen ließ. Sie
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