Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
Verhandlungsrunde gezwungen sein und wahrscheinlich einen höheren Preis bezahlen müssen.«
»Das wird schwierig. Für mich, meine ich.«
Es lag kein drohender Unterton in seiner Stimme, nur eine Art trauriger Resignation, aber die Bedeutung war mehr als klar. Jeremy Bates hatte seine Grenze als Banker gezogen. Kein Seto, kein Geld. Sie wusste, dass Bates aus seiner Sicht das Richtige tat, doch das einzig Tröstliche daran war die schonende Art, wie er es ihr beibrachte. Sie schätzte sein Taktgefühl, und im Grunde respektierte sie ihn dafür, dass er bei seinem Pflichtgefühl keine Ausnahme machte – nicht einmal für sie. »Ich hole Jackson aus dem Bett, und wenn ich ihn hertragen muss.«
»Das wäre das Beste«, stimmte er zu.
Sie sammelte die Papiere ein und packte sie in die Chanel-Tasche. »Tja, dann mache ich mich mal auf den Weg.«
»Ich begleite Sie zum Fahrstuhl«, erbot er sich und stand auf.
»Das ist doch nicht nötig.«
»Ich bestehe darauf.«
Seite an Seite gingen sie los, wobei Bates verlegener schien als sie. »Übrigens, wo wohnen Sie eigentlich?«, fragte er.
»Guildford Appartements.«
»Hübsch.«
»Ja, nicht schlecht.«
»Wann fliegen Sie wieder?«
»Wenn wir das Geschäft morgen abschließen, morgen.«
Er drückte den Fahrstuhlknopf für sie. »Wie wäre es, wenn die Bank Sie und Mr. Seto heute Abend zum Essen einlädt?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dazu in der Lage ist.«
»Also nur wir beide?«, fragte er, ohne zu zögern.
»Ich würde mich sehr freuen.«
Er schwieg kurz und sah sie nicht an. »Rufen Sie mich doch an, sobald Mr. Seto die Dokumente unterschrieben hat, damit wir den nächsten Termin festlegen können. Am Nachmittag bin ich frei, also gibt es von meiner Seite aus keine Verzögerungen.«
»Ich rufe Sie an.«
»Ausgezeichnet, dann können wir auch Ort und Zeit für das Abendessen ausmachen.«
»Sehr gern«, sagte sie mit mehr Begeisterung, als sie empfand.
Im Fahrstuhl kreisten Avas Gedanken um die Unterschriften und den überaus bewusstlosen Jackson Seto.
Der Ford Crown Victoria stand an derselben Stelle wie zuvor, Davey saß bei heruntergekurbeltem Fenster auf dem Fahrersitz und nickte mit dem Kopf im Takt zu Neil Diamonds Cracklin’ Rosie . Das erinnerte sie an Bangkok und Arthon. Wie lange war das her? Und warum spielten sie in letzter Zeit überall Neil Diamond? Robbins schlief mit zurückgelegtem Kopf und weit offenem Mund. Während sie dastand, stieg ihr auf einmal der Duft von frisch gebackenem Brot aus der Bäckerei gegenüber in die Nase, und sie bekam Hunger. Ihr fiel ein, dass sie seit dem Mittagessen am Vortag nur eine Tüte Mandeln gegessen hatte. Ein paar Häuser weiter entdeckte sie einen Fish-and-Chips-Imbiss, schlenderte zum Ford hinüber und steckte den Kopf durch das offene Beifahrerfenster. »Ich gehe da drüben was essen. Wenn er aufwacht, sagen Sie ihm, wo ich bin«, erklärte sie Davey und drehte sich um, bevor er etwas erwidern konnte.
Der Imbiss war eher schlicht – Linoleumboden, Plastikstühle und -tische –, aber immerhin sauber und der Geruch des siedenden Öls unaufdringlich. »Ich bin überrascht, dass Sie überhaupt geöffnet haben«, sagte sie zu einem großen, dünnen, ganz in Weiß gekleideten Mann.
»In ner halben Stunden wirds brechend voll, ein Kreuzfahrtschiff legt an.«
Sie überflog die Speisekarte, ihre Erfahrungen mit Fish and Chips beschränkten sich auf gelegentliche Abstecher nach dem Clubbesuchen mit Mimi und früheren Karfreitagen mit ihrer Mutter und Marian. Sie fragte, ob Schellfisch oder Heilbutt die bessere Wahl war.
»Nehmen Sie den Heilbutt.«
»Mit Pommes und Sauce.«
»Und Erbsenpüree?«
»Wieso nicht?«
Als der Teller vor sie gestellt wurde, empfand sie einen Anflug von Schuldgefühl. Von Guyana und KFC abgesehen, stopfte sie sich selten mit fettigem Essen voll. Sie würzte mit Malzessig, Salz und Pfeffer, ein Klecks Remoulade kam auf die eine und Ketchup auf die andere Seite des Tellers. Dann schnitt sie den Fisch an, dessen Panade goldbraun und erstaunlich leicht war, tunkte ein Stück in die Remoulade und aß es. Es zerging ihr auf der Zunge.
Sie aß schnell, trotzdem war der Teller noch halb voll, als sich die Eingangstür öffnete und Robbins hereingeschlurft kam. Er ließ den Blick durch den Imbiss schweifen, als erwartete er, jemand anders am Tisch sitzen zu sehen. »Was treiben Sie da?«, fragte er mit vom Schlaf belegter Stimme.
»Wonach siehts denn
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