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Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Titel: Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Hamilton
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Bürogebäude war nur fünf Stockwerke hoch, und die Backsteinfassade wirkte verblichen und angeschlagen. Im einzigen Fahrstuhl fuhr sie in die oberste Etage, deren eine, knapp dreitausend Quadratmeter umfassende Hälfte ausschließlich von Chengs Firma genutzt wurde, was nach Hongkonger Maßstäben beachtlich war. Etwa hundert Angestellte arbeiteten in einem Großraumbüro, an dessen anderem Ende sich eine Handvoll Privatbüros sowie ein leerer Konferenzraum befanden. Die Empfangsdame notierte ihren Namen, teilte ihr auf Kantonesisch mit, Mr. Cheng erwarte sie bereits, und bat sie, ihr zum Konferenzraum zu folgen.
    Während Ava wartete, steckte die Teedame den Kopf zur Tür herein und fragte sie, ob sie einen Wunsch hätte.
    »Grünen Tee, bitte.«
    Schließlich kam Henry Cheng mit einer Wasserflasche in der Hand. Er musterte Ava in ihrer Leinenhose und der rosafarbenen Brooks-Brothers-Bluse mit den Jade-Manschettenknöpfen und bemerkte: »Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt.«
    »Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment ist.«
    »Nicht so wichtig«, sagte er und gab ihr die Hand. »Ich bin Henry Cheng.«
    »Ava Lee.«
    Er nahm etwas entfernt von ihr Platz und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte. »Was kann ich für Sie tun?«
    Henry Cheng war klein, untersetzt und etwa Mitte vierzig. Er trug das Haar in der Mitte gescheitelt und hinter die Ohren zurückgestrichen, eine Frisur, die einem zwanzig Jahre jüngeren, fünfzehn Zentimeter größeren und zwanzig Pfund leichteren Mann besser gestanden hätte. Typisch aalglatter Hongkonger Yuppie , dachte sie mit Blick auf die Gucci-Halbschuhe und den Gürtel von Dolce & Gabbana, der seine beleibte Taille zierte. »Ich brauche Informationen über Jackson Seto.«
    »Ich kenne ihn kaum.«
    »Sie haben ihn doch Andrew Tam vorgestellt.«
    »Ich habe Seto von Andrew Tam erzählt, das habe ich Andrew mitgeteilt, aber mit dem Geschäft der beiden hatte ich nichts zu tun.«
    »Wie haben Sie Seto kennengelernt?«
    »Durch seinen Bruder, einen guten Freund von mir.«
    »Wie heißt er?«
    »Frank.«
    »Und wann haben Sie Jackson zum ersten Mal getroffen?«
    »Ich war mit Frank beim Lunch, als Jackson ins Restaurant kam. Er setzte sich zu uns an den Tisch, und wir haben eine ganz normale Unterhaltung unter Geschäftsleuten geführt. Irgendwann hat Jackson erwähnt, dass er auf der Suche nach einer Auftragsfinanzierungsfirma ist, und ich habe Dynamic Financial Services empfohlen. Andrew und ich sind übrigens zusammen zur Schule gegangen.«
    »Das ist alles? Mehr wissen Sie nicht?«
    »Das wars.«
    »Und Sie haben Seto nie wiedergesehen?«
    »Weder gesehen noch gesprochen.«
    »Andrew meinte, Sie hätten eventuell eine Vermittlungsprovision kassiert.«
    »Nein«, widersprach Cheng nachdrücklich. »Ich habe Jackson Dynamic empfohlen, weil ich glaubte, das könnte meiner Geschäftsbeziehung mit Frank nützen. Ich hatte ja keine Ahnung.«
    »Was soll das heißen?«
    »Frank schämt sich für seinen Bruder. Er will nichts mit ihm zu tun haben und gibt sich alle Mühe, ihn von seinen Bekannten fernzuhalten.«
    »Seit wann wissen Sie das?«
    »Seit einem Essen mit Frank ein paar Monate nach dem ersten Treffen.«
    »Was muss man über Frank Seto wissen?«
    »Er ist mit Patty Chan verheiratet, Carter Chans einziger Tochter.«
    »Ah, der allmächtige Mr. Chan. Ist er immer noch der reichste Mann in ganz Hongkong?«
    »Vielleicht in ganz Asien.«
    »Gute Partie.«
    Cheng zuckte die Schultern. »Patty ist fett und hässlich, aber nach Carters Tod …«
    »Und was macht Frank?«
    »Er hält sie bei Laune.«
    »Nein, ich meine beruflich.«
    »Er hält sie bei Laune«, sagte Cheng und lachte. »Offiziell ist er Vorsitzender ihres Immobilienunternehmens, Admiralty Properties. Es liegt auf der Hongkonger Seite direkt am Hafen. Er lässt sich ein paar Mal die Woche dort blicken.«
    »Wo wohnt er?«
    »Der gesamte Chan-Clan, einschließlich Carter, wohnt oben in Victoria Peak – wo sonst? Das Haus wird streng bewacht und abgeschirmt. Die Häuser, um genau zu sein, es ist nicht nur eines.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte Ava. »Ich würde mich gern mit ihm treffen.«
    »Viel Glück.«
    »Würden Sie …«
    »Nein, würde ich nicht«, unterbrach sie Cheng. »Wenn Sie mit Frank sprechen wollen, arrangieren Sie das gefälligst selbst. Ich habe alles gesagt, was ich weiß. Mir ist klar, dass Andrew durch das Geschäft mit Seto Ärger am Hals hat, und das tut mir leid, aber

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