Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
anstellen?«
»Mit weiblichem Charme.«
Er antwortete nicht, und sie glaubte schon, er wolle sich über sie lustig machen, doch schließlich sagte er langsam: »Ist Ihnen beim Lesen von Antonellis Akte aufgefallen, wo er in letzter Zeit seine Wochenenden verbringt?«
»Sicher weiß ich es nicht mehr, aber ich nehme an, in Bars.«
»Genauer gesagt, im Nana Plaza.«
»Und wo ist der Unterschied zum Soi Cowboy oder Patpong?«
»In den ersten beiden Etagen findet man den üblichen Barmädchen-Scheiß, aber die dritte – das ist eine andere Sache. Im Auto hatte ich keine Gelegenheit, Ihnen Antonellis Geschichte zu Ende erzählen. Er steht jetzt nicht mehr auf Frauen oder Jungs, sondern auf Katoeys – Ladyboys. Die dritte Etage des Nana Plaza ist für Katoeys reserviert. Seitdem nimmt auch die Gewalt ab. Scheint, als hätte er gefunden, wonach er gesucht hat.«
Der Weg zum Water Hotel dauerte länger als gedacht. Ava musste mehrere Kreuzungen überqueren, und die Ampeln sprangen nur alle fünf Minuten um. Wartezeiten waren unvermeidlich; bei Rot die Straße zu überqueren, bedeutete den sicheren Tod, denn der Bangkoker Verkehr stoppte für niemanden.
Es war kurz nach acht, als sie schließlich das Hotel betrat. Angeblich hatte es fünf Sterne, doch Ava merkte schon in der Lobby, dass es diesem Standard nicht entsprach. Die Möbel wirkten leicht schäbig, die Uniformen des Personals abgetragen.
Sie entdeckte Antonelli sofort. Rechts von der Lobby gab es eine Lounge, wo Kaffee und Tee serviert wurden. Er saß auf einem Sofa, hatte einen Laptop auf dem Schoß, und neben ihm standen auf einem kleinen Tisch Tee und Toast. Er trug ein weites philippinisches Hemd namens Barong , der Freund des fetten Mannes.
Antonelli war kahl, bis auf ein paar Haarsträhnen, die er sich über die Glatze gekämmt hatte. Er war sogar noch fetter als auf dem Foto. Sein Unterkiefer ging nahtlos in den Hals über, und der Barong , der kurz vorm Bersten stand, spannte über seinem Bauch, sodass ein weißes T-Shirt durch die Knopfleiste blitzte. Wenn er sich im Sessel zurücklehnte, berührten seine Füße kaum den Boden, doch Ava fiel auf, wie flink seine dicken Finger über die Computertastatur huschten.
In der Lounge war es voll, sie konnte problemlos fast direkt gegenüber von Antonelli Platz nehmen. Sie bestellte Kaffee und wartete auf eine Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Doch er sah nur kurz vom Computer auf, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Als ihr Kaffee kam, nippte sie daran und bemerkte: »Mein Gott, ist der Kaffee hier immer so schlecht?«
Er schaute sie kurz an, ohne etwas zu erwidern. Schließlich klappte er den Laptop zu und packte ihn in einen Aktenkoffer auf Rädern, den er hinter sich herzog, als er die Lounge verließ. Sie sah ihm nach, während er durch die riesigen, gläsernen Eingangstüren nach draußen ging. Am Straßenrand stand ein älterer Thailänder, der ihm den Koffer abnahm und ihn in einem schwarzen Toyota-Geländewagen verstaute. Mit einiger Anstrengung kletterte Antonelli auf dem Rücksitz, und der Wagen fuhr davon.
Das wars dann wohl , dachte Ava.
Sie rief Arthon an und erzählte ihm, was passiert war. Sie konnte ihn fast lächeln hören. »Heute Abend in der Bar starte ich einen neuen Versuch«, sagte sie. »In der Zwischenzeit gehe ich einkaufen, mache ein Nickerchen und warte, bis Sie mich wegen der Handy-Informationen zurückrufen.«
»Wie gesagt, das wird nicht einfach.«
»Eins noch«, antwortete sie. »Wir haben Sie nur nach Antonelli gefragt, aber wir sind auch auf der Suche nach einem gewissen Jackson Seto. Antonelli ist unsere Hauptzielperson, aber alles, was Sie über Seto und seine Reisen in und um Thailand herausfinden, könnte nützlich sein. Ich habe nicht gleich nach ihm gefragt, weil ich davon ausgegangen bin, dass er sich noch in den USA befindet, aber vielleicht war das ein Irrtum.«
»Jackson ist ein englischer Name. Was ist mit seinem chinesischen – seinem richtigen Namen? Auf den ist sein Pass vermutlich ausgestellt.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Dann suchen wir unter Jackson, mal schauen, was dabei herauskommt. Wie sind Sie erreichbar?«
»Auf dem Handy oder im Hyatt.«
Es war noch zu früh für eine Einkaufstour ins Pantip Plaza, das Elektronik-Einkaufszentrum, das dem Water Hotel fast direkt gegenüberlag, deshalb ging Ava zurück ins Hyatt. Dort wurde sie jeweils am Eingang, in der Lobby und am Fahrstuhl mit Wai empfangen, der höflichen
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