Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
jedoch ohne Frau und Kinder mitzunehmen. Seine Frau hatte allerdings dummerweise den Braten gerochen.
Gegen sieben versammelte sich das Personal, eine Glocke wurde geläutet, und alle riefen im Chor: »Ende der Happy Hour, Ende der Happy Hour.« Immer noch keine Spur von Antonelli.
Sie rief Arthon an.
»Scheiße, heute ist ja Freitag«, sagte er.
»Was soll das heißen?«, stöhnte sie.
»Freitags geht er in ein italienisches Restaurant in der Nähe des Soi Cowboy. Es wird von Italienern geführt und ist einer der angesagtesten Läden der Stadt. Nach dem Abendessen geht er ins Nana Plaza für sein wöchentliches Stelldichein mit einer Katoey.«
»Nimmt er sie mit ins Hotel?«, wollte Ava wissen.
»Nein. Der Sicherheitsdienst überprüft alle Gäste, die mit aufs Zimmer genommen werden, und verlangt deren Pässe. Antonelli will bestimmt nicht, dass das Personal von seiner Schwäche für Ladyboys erfährt. Er nutzt ein Stundenhotel des Nana Plaza.«
Noch besser, dachte sie. »Arthon, es wäre praktisch, einen Beweis für seine Vorlieben zu haben.«
»Woran haben Sie gedacht?«
»Fotos«, erwiderte sie.
Er überlegte nicht lange. »Einen Versuch ist es wert, aber man muss jemanden dafür bezahlen, vielleicht sogar mehrere Leute.«
»Über wie viel sprechen wir?«
»Fünf- bis zehntausend Baht.«
Zwei- bis dreihundert Dollar , rechnete Ava um. »Klingt vernünftig, allerdings nur, wenn wir wirklich Fotos bekommen.«
»Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Rufen Sie mich zurück?«
»Egal, ob ich Erfolg habe oder nicht?«
»Ich muss auf jeden Fall Bescheid wissen.«
Sie klappte ihr Handy zu und begab sich nach oben in das andere italienische Restaurant, das Antonelli manchmal besuchte. Es war wie ausgestorben. Die Empfangsdame war froh, jemanden zum Reden zu haben, und ausgesprochen mitteilsam, was Antonelli betraf beziehungsweise »Khun« George – »Khun«, eine respektvolle Anrede, entspricht dem englischen »Mister«. Wie sich herausstellte, war Khun George verfressen, ziemlich anspruchsvoll und knauserig beim Trinkgeld. Es fiel Ava immer leichter, ihn zu verabscheuen.
Nach dem Essen ging sie zurück zum Hyatt. Abends war es noch schwieriger, sich durch die Straßen zu kämpfen, denn auf den Nachtmärkten und vor den Imbissständen – die wie von Zauberhand auf den Gehsteigen aufgetaucht waren – herrschte Hochbetrieb. Ava schauderte beim Gedanken an die hygienischen Zustände: Es gab kein fließendes Wasser, und die Teller und das Besteck wurden wieder und wieder im selben Eimer gewaschen. Nur einmal hatte sie das Essen probiert und zwei Tage gebraucht, um sich von einer Lebensmittelvergiftung zu erholen.
Sie erwog, ins Spasso oder ins Zeta zu gehen, verbrachte aber schließlich den Abend damit, sich in ihrem Hotelzimmer den amerikanischen Sender HBO anzuschauen, bis sie gegen elf einschlief.
Um halb zwölf klingelte das Telefon. »Bingo«, sagte Arthon. »Und mit einer Katoey, die noch nicht vollständig umoperiert war – sie hatte Titten und einen Schwanz. Unser Mann ist ins Zimmer gestürmt, als sie splitternackt und voll bei der Sache waren, und Antonelli hat genau in die Kamera geguckt. Ein strunzhässlicher, nackter Farang . Seine Titten waren größer als ihre.«
»Wann kriege ich die Fotos?«
»Morgen früh. Ich bringe sie Ihnen gleich als Erstes vorbei.«
13
G egen acht Uhr rief Arthon Ava an, um ihr mitzuteilen, er sei auf dem Weg. Sie war seit zwei Stunden wach und hatte ihr Jogging im Lumpini Park bereits hinter sich. Am Samstagmorgen war es noch voller als am Freitag, und nach zwei Runden Dauerlauf hatte sie noch eine dritte, langsamere gedreht, um das bunte Treiben besser genießen zu können. Sie hatte nicht geahnt, wie viele Arten von Tai Chi es gab.
Während sie in der Lobby auf Arthon wartete, las sie einen Artikel in der Wochenendbeilage der Bangkok Post , in dem es um eine Katoey-Rockband ging, die auf dem Foto nicht von einer normalen Girlgroup zu unterscheiden war. Bis auf seine hässliche Neigung zu Gewalt hatte Ava kein Problem mit Antonellis sexuellen Vorlieben. Außerdem kannte sie Thailand gut genug, um zu wissen, dass sich die Thailänder ebenso wenig daran stießen. Katoeys waren für sie etwas Alltägliches, ein akzeptiertes drittes Geschlecht. Ava war schon in öffentlichen Gebäuden gewesen, wo es drei Toiletten gab.
Eine kleine Hinterhofindustrie hatte sich um die Katoeys gebildet, und sie waren auch zum Teil der Grund, warum Thailands
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