Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)
einmal um den Block.«
Nach weniger als fünf Minuten hatten sie beide Wagen gefunden. Sie standen vor einem Restaurant namens China World. »Chinesen sind so berechenbar«, sagte sie. »Man könnte sie in Paris in einer Straße mit lauter französischen Dreisterne-Restaurants aussetzen, sie würden sich trotzdem etwas Chinesisches suchen, und sei es ein Imbiss.«
»Wollen Sie reingehen?«
»Nein, wir warten, bis sie fertig sind.«
Sie warteten eine Stunde. Die junge Frau kam als Erste heraus. Sie trug enge Jeans, die ihre muskulösen Oberschenkel und den festen, knackigen Hintern betonten. Ihre großen, runden Brüste zeichneten sich durch das Top ab, und Ava sah, dass sie keinen BH trug. Die Frau warf eine Kusshand in Richtung des Restaurants, stieg in den Wagen ein und fuhr davon. »Geile Figur«, sagte Jeff.
Als Nächster kam der Vietnamese, Seto folgte mit etwas Abstand. Das muss Setos Bodyguard sein , dachte sie, oder ein Lustknabe, der auch als Bodyguard dient . Er war klein, aber das bedeutete nichts. Männer seines Schlages konnten zäh, brutal und so furchtlos sein, dass es an Dummheit grenzte. Er könnte das Ganze unnötig komplizieren.
Seto war ebenfalls nur ein Strich in der Landschaft. Er war ziemlich groß, ging aber so krumm, dass er weit kleiner wirkte. Seine schwarze Hose mit hohem Bund wurde von einem Gürtel gehalten, der so eng wie möglich geschnallt war. Er hatte fast etwas Ausgemergeltes, und seine Brust unter dem weißen Hemd sah regelrecht eingefallen aus. Sein Gesicht wirkte wachsam, der Blick seiner dunkelbraunen Augen huschte hin und her, während er hart an einer Zigarette sog.
Die beiden Männer stiegen in den Land Rover und fuhren davon. »Folgen wir ihnen eine Weile«, sagte sie.
Kaum hatte sich der Jeep in Bewegung gesetzt, erspähte sie den Land Rover nur zwei Blocks entfernt vor einem Gebäude. ECKIE ’ S ONE AND ONLY CLUB stand in Neonlettern über dem Eingang. Seto stieg allein aus, marschierte am Türsteher vorbei und verschwand im Inneren.
»Kennen Sie den Laden?«, fragte sie Jeff.
»Jeder kennt das Eckie’s. Es ist der beste Club von Georgetown, einer der wenigen, die ohne billiges Bier und billige Schlampen auskommen. Sie importieren gute DJs, und nur die teuren Mädels kommen hierher – sowohl Amateurinnen als auch Professionelle. Touristen und gutbetuchte Einheimische sind ihr Ziel.«
»Wem gehört er?«
»Keine Ahnung.«
»Wer ist Eckie?«
»Keinen Schimmer. Ich war ein paar Mal da, habe aber niemanden namens Eckie kennengelernt.«
Sie schwieg und wog ihre Möglichkeiten ab, während sie dem vietnamesischen Bodyguard beim Rauchen zusah. Die wenigen Maschen, die ihr einfielen, hatten zu viele Schwachstellen. Ihn in der Bar zur Rede zu stellen, war unmöglich. Niemand kannte sie hier, und im Falle einer Szene würde man den Einheimischen unterstützen – selbst wenn der Bodyguard nichts mitbekam. Wenn sie draußen mit Seto ins Gespräch zu kommen versuchte, würde sich der Vietnamese mit Sicherheit einmischen, und für eine solche Aktion war es definitiv zu früh, solange sie nicht wusste, wer Setos Verbündete waren. Laut Antonelli unterhielt Seto gute Beziehungen zur hiesigen Polizei; sie musste zuerst herausfinden, wie weitreichend sie waren. Trotzdem, nichts zu tun, kam auch nicht in Frage.
»Können Sie mir eine lokale SIM -Karte besorgen?«
»Ja. Reicht morgen früh?«
»Absolut.«
»Gehen Sie nicht in Eckie’s Club?«
»Nein, heute Abend kann ich dort nichts ausrichten.«
»Und was jetzt?«
»Ich möchte zurück ins Hotel.«
Beim Phoenix angekommen, stieg Ava aus dem Jeep und beugte sich zu Jeff hinunter. »Rufen Sie mich an, sobald Sie die SIM -Karte haben. Ich vermute, Sie stehen morgen auch zur Verfügung, falls ich Sie brauche?«
»Für morgen steht noch nichts an.«
Sie reichte ihm siebzig Dollar durchs Wagenfenster.
»Danke.«
»Jeff, ich möchte, dass Sie mit niemandem über diese Sache reden. Kein Wort. Sie haben den Namen Jackson Seto noch nie gehört.«
»Das versteht sich von selbst.«
»Es ist immer besser, Dinge klarzustellen«, sagte sie und warf einen weiteren Zwanzig-Dollar-Schein auf den Beifahrersitz.
19
A va wachte früh auf und ging um sechs hinunter in die Lobby. Das Café hatte noch nicht geöffnet, deshalb schlenderte sie zum Business Center hinüber, das ebenfalls verschlossen war. Sie ging zu dem jungen Mann an der Rezeption, der ein wohl zwei Nummern zu großes Sportsakko trug, und bat: »Können Sie
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