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Die Wedding-Planerin

Titel: Die Wedding-Planerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Rathert
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Standardkleidergröße passen. Auch wenn sie ihren Körperumfang stets mit Humor nimmt und als professionelle Musikerin
     daran gewöhnt ist, ihren Körper bei öffentlichen Auftritten zu zeigen, nagt das Problem gewaltig an ihr. So wurde die quirlige
     Anna beim Betrachten der Kleider auch zusehends stiller. Um dann, drei Stände später, zum Gegenschlag auszuholen. «Führen
     Sie auch Größen, die normale Frauen tragen?», fragte sie die stark geschminkte Kleidergröße-3 6-Verkäuferin in einer Lautstärke, die alle Besucher des Ausstellers zum Schweigen brachte. Lena wurde rot, Henrike verließ unauffällig
     den Stand, Maja verdrehte die Augen, und ich musste lachen. Herrlich, jetzt konnte die Anna-Show beginnen. Die folgende
     Diskussion endete damit, dass Anna als «Last-Minute-Braut mit atypischen Proportionen» bezeichnet wurde, die 36 ihr mitteilte,
     dass sie es als Beleidigung des Designers auffasse, wenn Kleider größer als 38 geschnitten sein müssten, denn dann verlören
     sie «ihre Aussage», und es für «Probleme wie Sie» spezielle Läden gäbe. Beim Verlassen des Standes   – Maja und ich zogen Anna fort – fiel dann noch «aus Versehen» eine der dekorierten Puppen um. Anna guckte unschuldig – «die
     stand halt im Weg». Um nicht wegen Hausfriedensbruch, Pöbelei und Sachbeschädigung sofort der Halle verwiesen zu werden,
     steuerten wir erst einmal das aufgebaute Café an, verpassten Anna einen Prosecco und diskutierten das weitere Vorgehen. Kleider
     würden wir hier nicht für sie finden, stattdessen sollten wir versuchen, die anderen Punkte auf der Liste abzuhaken. Also
     wechselten wir von der einen auf die andere Seite der Halle, wo alle Stände aufgebaut waren, die keine Kleidung anboten.
    Ringe: Ein Juwelier, angereist aus einem 60   Kilometer entfernten Dorf bei Hamburg, stellte seine selbst entworfene Kollektion, bestehend aus vier verschiedenen Ringpaaren
     vor. Für mehr Auswahl sollten wir doch mal bei ihm im Atelier vorbeischauen, gern ließe er auch die Paare selbst entwerfen
     und setze die Vorstellungen der beiden für sie um. Aha.
    |73| DJ: «Rudis rollende Disco» und «DJ Dieter» performten nebeneinander Teile aus ihrer jeweiligen Ein-Mann-Hochzeitsshow. Eigentlich
     dachte ich immer, dass diese Menschen seit den Achtzigern ausgestorben seien – aber nein, die letzten Überreste konnten
     wir live an ihren Keyboards, mit umgehängtem Mikro und schlechten Witzen ausgestattet, betrachten. Im Hintergrund dudelte
     die Lichtorgel ihr Spiel aus Rot, Blau, Grün und Bunt, im Vordergrund kamen die Boxen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit,
     als Rudi «Die Flippers» zum Besten gab. Unser Quintett drohte einen kollektiven Ohrenkrebs-Kollaps zu erleiden. Ausnahmsweise
     waren wir uns einig: Das geht alles gar nicht.
    Essen: Ein Cateringunternehmen stellte aus und hatte fünf verschiedene Küchen im Angebot – japanisch, chinesisch, australisch,
     bengalisch und vietnamesisch. Annas Blick auf die Karte ließ keinen Zweifel zu: Sie konnte sich nicht vorstellen, ihrer Oma
     mit Sushi eine kulinarische Freude zu bereiten.
    Fazit: Ziel verfehlt. Entweder waren die Hamburger Aussteller an dem Tag alle woanders, oder sie wussten schon, dass es
     sich nicht lohnen würde, hier zu investieren. Die wenigen Menschen, die die Messe besuchten, waren so wie wir vom Angebot
     enttäuscht. 15   Stände, alle Firmen gaben an, «aus der Nähe von Hamburg» zu kommen, wobei mir bis dahin nicht klar war, dass Hannover
     auch noch zum Hamburger Speckgürtel zählt. Nun hatten wir einen Überblick – über alles rund um Hamburg herum, was wir nicht
     brauchten. Erschöpft verließen wir nach zwei Stunden die Messe und gingen etwas essen. Anna hatte der Nachmittag trotzdem
     gefallen – sie durfte sich immerhin ununterbrochen mit ihrem aktuellen Lieblingsthema beschäftigen.
    Ich bin froh, dass Lena damals dabei war und jetzt nicht auf die Idee kommt, eine dieser Messen besuchen zu wollen – ich
     würde das kein zweites Mal überleben. Aber ihr Kleid macht uns zunehmend Sorgen. Also eigentlich macht es ihr Sorgen und mir
     auch, aber ich sage das nicht, sondern denke es nur und recherchiere |74| mir die Finger wund nach anderen Geschäften, die ein Kleid haben könnten, das «rockt». Angesichts dieser zeitintensiven
     Tätigkeit bleiben einige andere Dinge auf der Strecke. Andreas sehe ich nur noch im Vorbeigehen, meine Mutter hat bereits
     fünf Nachrichten auf dem Anrufbeantworter

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