Die Wedding-Planerin
Tragen nicht immer das Gefühl, das man wieder die Braut
ist, ob einem das nun passt oder nicht?
Über der Beantwortung all dieser Fragen trinken wir zwei Prosecco, führt Lena Telefonate mit Karl, ihrer Schwester, ihrer
und meiner Mutter und ist anschließend genauso schlau wie vorher. Karl ist dafür, es zu kaufen: «Ist doch egal, in der Gesamtsumme
der |79| Hochzeit sind das Peanuts.» Hut ab, coole Einstellung, meine beste Freundin hat sich den richtigen Mann ausgesucht. Ihre
Schwester will erst mal ein Bild per MMS bekommen und rät dann ebenfalls zu. Gut, hier müssen wir beim Gesamturteil abziehen,
dass Lena bei der Preisangabe rund 700 Euro weggeschummelt hat – aber Schwestern müssen ja auch nicht alles wissen. Unsere Mütter sind irgendwie meinungslos, freuen
sich aber, dass wir endlich fündig geworden sind, und raten dann zum Kauf. Beim dritten Prosecco werfe ich eine Münze,
auch die sagt uns: kaufen. Außerdem finde ich, dass Lena sich jetzt genug Mut angetrunken hat, und zerre sie zurück in den
Laden. Wo sie einfach die Kreditkarte zückt und unterschreibt, als würde sie jeden Tag derartige Summen über einen Ladentisch
schieben. Die Aufregung merkt man ihr dann aber doch an, als sie ihre Adresse hinterlassen soll – sie braucht vier Anläufe,
um ihre Postleitzahl und Telefonnummer richtig zu diktieren, und zittert, als wir, beladen mit dem Kleid, das Geschäft
verlassen, um uns ein Taxi zu rufen.
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Mittwoch, 27. November
Stimmung: fremdschämend
Sound: U-Bahn
Thema des Tages: Verfolgungswahn
Gruselig. Ich werde mal wieder verfolgt. Von Hochzeiten. Auf dem Heimweg von der Arbeit wurde ich heute unfreiwillige Zeugin
eines Hochzeits-Telefonats zwischen Mutter und Tochter, wobei ich nur die Tochter hören konnte. Mir gegenüber saß eine zierliche |80| Frau, beladen mit vier großen Tüten, aus denen diverse Deko-Artikel in drei verschiedenen Farbtönen lugten. Sie telefonierte
gestikulierend und hörbar aufgeregt mit ihrer Mutter. Über drei Stationen berichtete die junge Dame von den hübschen cremefarbenen
Rosen und passenden Papiertischdecken samt Streusand und Kerzen, die sie soeben gekauft hatte. Da sie sich nicht hätte entscheiden
können, welcher Farbton am besten passt, hätte sie einfach alles in drei Tönen erworben.
Plötzlich schlug die Stimmung um: Themenwechsel zum Brautkleid, ihre Stimme wurde schrill. Offenbar hatte sie auch hier Entscheidungsfindungsschwierigkeiten
gehabt und war nun nach dem Kauf immer noch unsicher. Immer wieder sagte sie, dass sie sich ganz schrecklich darin finden
würde und auch Martina gemeint hätte, dass das «andere» ihr besser gestanden hätte, und überhaupt sei sie total unglücklich
mit ihrer Wahl und ob ein dritter Umtausch wohl ein Problem darstellen könne. Und Henning sei ihr ja auch keine Hilfe, der
würde nur arbeiten und sich gar nicht an den Vorbereitungen beteiligen. Beschämt versuchte ich weiterhin mein Buch zu lesen
– doch die Braut war so aufgeregt, dass sie schließlich weinen musste, damit drohte, die Feier platzen zu lassen, und
ich vor lauter Fremdscham eine Station früher ausstieg.
Vorbei an den bereits obligatorischen Plakaten für Hochzeitsmessen auf dem Bahnsteig drängte ich aus dem unterirdischen Schacht
an die Oberfläche und tauchte auf aus der grauen Menschenmenge, die mich umgab. Ich atmete die winterliche Luft tief ein
und versuche, die Gedanken an die offensichtlich wirklich unglückliche Braut zu vergessen. Sie tat mir leid. Gern hätte ich
sie einmal in den Arm genommen und ihr versichert, dass sie eine herrliche Feier haben und egal, welches Kleid es denn werden
würde, großartig aussehen würde. Dass es normal ist, wenn die Nerven irgendwann blankliegen und man meint, alles würde
schieflaufen, man könne keine Entscheidungen mehr treffen und |81| die Welt würde zusammenbrechen. Richtig furchtbar fand ich allerdings die Tatsache, dass sie sich offenbar wirklich von ihrem
zukünftigen Mann alleingelassen fühlte. Das ist gemein. Klar, meist will der eine mehr als der andere, und Frauen können
echt furchtbar sein, wenn sie kein anderes Thema mehr haben. Andererseits ist es doch gerade der Partner, der dem entgegenwirken
und seine Freundin nach und nach wieder auf den Boden holen kann. Eine Hochzeit ist schließlich ein gemeinsames Fest – eines,
das die Liebe des Paares und deren Zukunft feiert. Dann müssen sich doch
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