Die Wedding-Planerin
findet, einfach mal Pause voneinander braucht. Natürlich macht mich das traurig, wenn ihr meine Ideen
nicht gefallen oder ich merke, dass wir nicht in die gleiche Richtung denken. Ich will, dass es ihr gutgeht, immer und
jetzt besonders, und ich will ihr helfen. In diesem Moment kommt mir eine Idee. Etwas, das ich nie gemacht habe, das ich
nur für Lena und sonst niemanden je wieder machen werde: Ich werde auf der Hochzeit eine Rede halten.
Schon länger hatte ich darüber nachgedacht, was ich als Trauzeugin Besonderes beitragen könnte. Mir war immer klar, dass
Aufführungen und Spiele von den Gästen kommen müssen, dafür werde ich keine Zeit an dem Abend haben. Aber eine Rede wäre
machbar. Ich drehe und wende die Idee in meinem Kopf, und je länger ich das tue, umso besser gefällt sie mir. Es muss eine
gute, |125| eine richtige Kracherrede werden, eine, die niemanden langweilt und in der ich ihr sage, was man seiner besten Freundin
sagt, wenn sie in ein neues Leben aufbricht und einen Schritt vor mir selbst den Weg geht. Zufrieden mit dieser wunderbaren
Idee begebe ich mich vor den Fernseher. Damit muss ich jetzt mal ein paar Wochen schwanger gehen, das Ganze muss reifen,
und so, wie ich mich kenne, werde ich das Schreiben bis auf den Abend vor der Hochzeit aufschieben – unter Druck bin ich
am besten.
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Dienstag, 21. Januar
Stimmung: euphorisch
Sound: keiner
Thema des Tages: Zu große Schritte
Heute habe ich frei und nutze meine Zeit, um auszuschlafen, meine vom Sport verkaterten Muskeln zu pflegen und die Wohnung
sauber zu machen. Außerdem muss ich mich dringend noch um einige Hochzeitsdinge kümmern. Lena möchte einen Samstag im Februar
nutzen, um mit Karl nach einem Anzug zu gucken, noch haben wir beide aber keine rechte Idee, wo man fündig werden könnte.
Karl steht gar nicht auf derartige Outfits und besitzt derzeit genau einen Anzug, und den bereits seit dem Abi. Außerdem
findet er Kleidung einkaufen lästig und ist selten dazu zu bewegen. Er hat auch keine rechte Lust, mal gucken zu gehen. Da
die gemeinsame Zeit der beiden gerade wirklich begrenzt ist, muss der Termin geplant werden. Eigentlich hatten wir gehofft,
Karl an einem Wochentag durch die Herrenausstatter Hamburgs schleifen |126| zu können, das allerdings fällt jetzt aus, da er unter der Woche in Frankfurt ist. Bleibt also nur das Wochenende, an dem
die Läden überfüllt sein werden und Karl bestimmt richtig gute Laune haben wird. Ich muss gleich sowieso noch in die Stadt,
mein Outfit sollte auch mal geplant werden, und ich will mir einige Kleider ansehen, da kann ich gucken, wo welcher Laden
Anzüge führt und wie die samstags geöffnet haben. Außerdem habe ich Lena versprochen, in dem Laden vorbeizusehen, in dem
wir ihr Kleid gekauft haben. Es müssen wie bei allen Brautkleidern noch Änderungen gemacht werden, und unsere Verkäuferin
meinte, wir sollten uns Ende Januar zwecks Terminabsprache melden.
Als ich in dem Laden stehe, hat zunächst keine der beiden Verkäuferinnen Zeit für mich. Die beiden kleiden gerade Bräute
an. Sehnsüchtig sehe ich zu, die haben hier wirklich tolle Kleider. Da ich noch warten muss, schaue ich mich ein bisschen
um. Vielleicht finde ich hier ja auch etwas Passendes für mich? Ich durchstöbere die Kleiderstangen, auf denen keine eindeutig
als Brautkleid zu identifizierenden Kleider hängen. Kurze, lange, schlichte und total verschnörkelte Sachen. Mein Blick
fällt auf eine der Puppen, und mir stockt der Atem: Sie trägt einen Traum in Schwarz. Ganz eng, aus Seide, der Rock des
Kleides wird unter dem Knie ganz weit, so wie man das in den zwanziger Jahren getragen hat. Oben hat das Kleid nur einen
breiten Träger, die andere Schulter bleibt frei, gesäumt ist das gesamte Kleid an den Rändern mit Volants und dekoriert
mit einer riesigen schwarzen Blume an der beträgerten Schulter.
Ich stehe davor und bewundere das Kleid, als die Besitzerin Ella mich anspricht. Sie hat jetzt Zeit für mich und gesehen,
dass ich mich soeben spontan verliebt habe. Ich kläre den Änderungstermin für Lenas Kleid mit ihr, zwei Wochen vor der Hochzeit
reicht, meint sie, allerdings müssen wir mindestens drei weitere Termine für etwaige Anproben festmachen. Dann nehme ich
meinen Mut zusammen und frage sie nach dem schwarzen Traumkleid. Sie |127| erzählt, dass sie das Modell für ihre Schwester entworfen hat – als Geschenk zu
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