Die Wedding-Planerin
für mich hat.
Am Telefon erzähle ich ihr von Wiebkes Idee, Lenas Aversionen und von meiner alternativen Idee: Wiebke könnte Bilder der
beiden zu einer Präsentation zusammenfügen, die wir am Abend über die Beamer an die Wand projizieren. Auch wenn Lena keine
Fotos von sich sehen mag, ist das sicher nicht so schlimm für sie wie eine Hochzeitszeitung, und Wiebke hat trotzdem die
Möglichkeit, ihrer Schwester ein besonderes Geschenk zu machen. Es muss zudem keine «Verkaufsaktion» geben, Wiebke muss
nichts dazu sagen, und Lena kann zur Not auch wegsehen.
«Ruf sie an und erkläre ihr das genau so, wie du es mir gerade erzählt hast. Sie wird Verständnis dafür haben und sich freuen,
dass du ihr etwas vorschlägst, über das Lena sich auch wirklich freuen kann», meint meine Mutter.
Also gut, dann werde ich mich jetzt gleich trauen und sie anrufen. Ich hoffe, die richtigen Worte zu finden und nichts falsch
zu machen. Komisch, dass mich das so berührt. Normalerweise sage ich einfach, was ich denke, aber in puncto Familie bin
ich vorsichtig, weil Missstimmungen im Vorfeld sich negativ auf die Hochzeit auswirken können, und dafür möchte ich nicht
verantwortlich sein.
Im Gespräch mit Wiebke ist das plötzlich alles ganz einfach: Ich erkläre ihr, wie Lena zu Hochzeitszeitungen steht, und
schlage ihr meine neue Idee vor. Wiebke ist begeistert und – wie meine Mutter vorhergesagt hat – entspannt, weil es ihr Ziel
ist, ihrer Schwester eine Freude zu machen. Egal wie. Wir einigen uns darauf, dass ich nochmal unsere Freunde um alte Bilder
bitte und auch meine Fotos nach passendem Material durchsehe. Sie wird alles zusammenfügen und zur Hochzeit mitbringen. Erleichtert
lege ich auf und spüre, wie sich so langsam Vorfreude in meinem Bauch breitmacht. |168| Das Kribbeln beginnt und wird bis zur Hochzeit immer heftiger werden – ich bin mir plötzlich sicher, auf dem richtigen Weg
zu sein.
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Freitag, 28. März
Stimmung: wolkig bis heiter
Sound: das Rauschen des Bluts in meinem Kopf
Thema des Tages: Die Lena, die ich kenne
Heute hat Lena etwas gemacht, was aus meiner Sicht nicht besonders klug war und das mir wirklich sehr viel Beherrschung bei
meiner Reaktion auf ihre Erzählung abverlangt hat: Lena hat die neulich erworbenen Schuhe und das Kleid für das Standesamt
zurückgegeben.
Ich atme. Ich atme ein, und ich atme aus. Und wieder ein und wieder aus. Während ich atme, versuche ich, nicht daran zu
denken, wie viele Stunden wir nach den Sachen gesucht haben, wie sehr meine Füße danach schmerzten und dass das jetzt heißt,
dass Lena wieder nichts anzuziehen hat. Ich atme weiter, um meine beste Freundin, die in wenigen Wochen heiratet und deren
Trauzeugin ich bin, nicht auf der Stelle zu erwürgen. Ich atme, um sie nicht anzuschreien und ihr womöglich Unrecht zu tun.
Denn, wer weiß, vielleicht hatte sie sogar einen plausiblen Grund, um die Teile in den Laden zurückzubringen, das Geld
zu nehmen und einzustecken?
Ich werde es nie erfahren, wenn ich sie nicht danach frage, denn sie sitzt schweigend vor mir. Sie kennt mich gut genug,
um zu wissen, |169| was ich gerade denke und dass es jetzt besser ist, mich nicht anzusprechen und mir einige Minuten Zeit zu lassen, die Neuigkeiten
zu verdauen.
Das ist nicht die Lena, die ich kenne. Die Lena, die ich kenne, bringt keine Klamotten zurück, weil diese Lena nicht einmal
den Kassenzettel aufhebt, und die Lena, die ich kenne, entscheidet sich schon mal gar nicht um. Diese Lena nämlich, die
vergisst sofort nach einem Kauf, was ein Teil gekostet hat und wird nie von einem schlechten Gewissen geplagt, wenn es mal
etwas teurer war. Zwischen zwei Atemzügen frage ich sie: «Warum?» Es klingt nicht ganz so aggressiv, wie ich erwartet habe,
obwohl ich immer noch befürchte zu explodieren.
«Die Schuhe haben nicht den gleichen Ton wie mein Brautkleid. Ich habe es einmal tagsüber und einmal abends aneinandergehalten,
aber es ist wirklich ein ganz anderer Ton, und es sah scheußlich aus», erklärt sie.
Anderer Ton? Wir hatten eine Stoffprobe dabei, als wir die Schuhe gekauft haben, und nie im Leben hat der Ton nicht gepasst.
Diese Schuhe haben wir gekauft, weil sie als einzige in der gesamten Hamburger Innenstadt den Ton des Kleides exakt getroffen
haben.
«Lena, wir haben vier Stunden nach diesen blöden Schuhen gesucht, die Verkäuferin, zwei anwesende Kundinnen, später dann
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