Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
Gedanken gekommen war. Doch das war jetzt nebensächlich.
»Ihr müsst warten, bis die Wachen abgelöst werden«, fuhr die Kleine fort. »Das wird gleich so weit sein. Nach dem Nachtmahl legen sich die meisten Leute in der Burg schlafen, denn Malcolm ist geizig mit Kerzen und Lampen. Wisst Ihr den Weg noch, Lady?«
»Ich glaube ja...«
»Ich beschreibe ihn Euch noch einmal.«
»Tu das bloß nicht! Es ist auch so schon verwirrend genug.«
Das Warten war nervenzerreibend, denn Bonnie schwatzte die ganze Zeit allerlei ungereimtes Zeug. Endlich lief sie in den Flur hinaus und kehrte mit der Nachricht wieder, dass jetzt die Zeit gekommen sei.
Rodena nahm Stab und Lampe und machte sich auf den Weg. Auf leisen Sohlen schlich sie durch die Gänge, ärgerte sich über das aufgeregte Pochen ihres Herzens, das alle anderen Geräusche übertönen wollte, erschrak vor dem eigenen Schatten an der Wand und starb fast vor Entsetzen, als ein kleines Wesen an ihr vorbeihuschte und dabei ihr Gewand streifte. Eine Katze!
Sie war über sich selbst erstaunt, wie gut sie sich zurechtfand, öffnete leise die kleinen Nebentüren, stieg Treppen hinab und kam nur einmal ins Zweifeln, als ein langer Gang kein Ende zu nehmen schien.
Dann, als sie eine enge Wendeltreppe hinunterstieg, wuchs plötzlich der gelbliche Schein einer Kerze an der Wand empor, und eine dunkle Gestalt stapfte die Stufen hinauf. Es war zu spät, um davonzulaufen, so zog sie nur hastig das Plaid ein wenig weiter ins Gesicht und setzte mutig ihren Weg fort. Immerhin hatte sie einen harten Eisenstab, den sie notfalls zu ihrer Verteidigung gebrauchen würde. Der Mann, der ihr entgegenkam, hatte ein rotes, aufgedunsenes Gesicht und schien heftig getrunken zu haben, denn der säuerliche Weinatem schlug ihr entgegen. Als sie aneinander vorbeigingen, wandte er kurz den Kopf, blickte sie mit glasigen Augen an und ging weiter, ohne sich um sie zu kümmern.
Unten im Flur musste sie einen Augenblick stehen bleiben und warten, bis ihr Herzschlag sich einigermaßen beruhigt hatte. Dann huschte sie weiter und fand endlich die ausgetretene Treppe, die hinab zum Kerker führte. Sie zitterte jetzt am ganzen Körper vor Anspannung.
Ein kaum wahrnehmbarer Lichtschein drang hinauf, der vermutlich aus der Kammer kam, in der die Kerkerwachen sich aufhielten. Sie löschte ihre Lampe und schlich langsam auf Zehenspitzen hinunter.
Malcolms schien allen Grund zu haben, das Würfelspiel auf seiner Burg zu verbieten, denn aus dem Raum der Wachen drangen böse Flüche und Schimpfworte.
»Das dritte Mal in Folge – du betrügst mich, du Schwein!«
»Was kann ich dafür? Das Glück ist mir hold.«
»Zeig den Würfel her!«
»Der gehört mir!«
Sie schob sich an der kalten, schimmeligen Wand entlang und passte den Moment ab, als die beiden Wächter handgreiflich wurden, um an der offenen Tür vorbeizuhuschen. Sie blieb unbemerkt, stand nun vor der Kerkertür und befühlte den schweren, kalten Eisenriegel mit den Händen. Immer noch drangen wüste Schimpfworte aus dem Wachenraum – jetzt oder nie.
Sie musste sich fest gegen die Tür pressen, um den Riegel besser lösen zu können, und hielt erschrocken inne, als das Metall leise quietschte. Nichts geschah, außer dass drüben im Wachenraum ein Schemel umgestoßen wurde. Sie schob den Riegel weiter zurück, bebend vor Ungeduld, störte sich jetzt kaum noch an dem leisen, metallischen Geräusch, und erst als der Riegel aufsprang, bemerkte sie, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte.
Sie schob die Tür gerade so weit auf, dass sie hindurchschlüpfen konnte, und zog sie dann wieder hinter sich zu. Der Kerker lag vollkommen im Dunkeln, doch sie vernahm das schleifende Geräusch einer Kette, die über den Boden gezogen wurde. Unschlüssig stellte sie Stab und Lampe auf den Boden und blieb daneben stehen.
»Ewan?«, hauchte sie in die Finsternis hinein.
»Geh drei Schritte geradeaus!«
Sie gehorchte und spürte die Wärme seines Körpers, noch bevor ihre Hände ihn berührten. Sie fühlte seine nackte Brust und glitt zärtlich mit den Fingern darüber, dann schlang sie die Arme um ihn. Sein Herz hämmerte in ihr Ohr, als sie den Kopf an seine Brust presste, und es war ein seltsames Gefühl, dass er nicht wie gewohnt seine Arme um sie legte.
»Rodena«, flüsterte er. »Wie hast du das fertiggebracht?«
»Ich bin eine Fee und kann zaubern.«
Sie spürte, wie seine Brust zitterte. Er lachte.
»Richtig. Wieso hatte ich das
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