Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
gegeben.
Vorsichtig ging sie auf die Laterne zu. Es war ein Nachtlicht, ein viereckiges Metallgehäuse, in dem eine Kerze brannte, die von durchscheinenden Hornplatten vor der Zugluft geschützt wurde. So schwach sein Schein auch war – sie konnte das Licht gut gebrauchen, also nahm sie die kleine Laterne mit.
Sie leuchtete den Flur aus und stellte fest, dass er ihr reichlich fremd erschien. Verflixt – sie hatte sich doch verlaufen. Wo war der Fehler gewesen? Die falsche Pforte?
Gerade wollte sie sich umwenden und zurückgehen, da berührte ihr Fuß etwas Weiches, und sie vernahm einen unwilligen Laut. Erschrocken fuhr sie zurück – sie wäre fast auf eine Magd getreten, die hier im Flur ihr Nachtlager aufgeschlagen hatte. Die Frau setzte sich auf und rieb sich verschlafen die Augen.
»Mary?«, krächzte sie. »Lass die Laterne stehen – der Laird hat befohlen, dass ein Licht im Gang sein muss.«
Rodena hatte rasch das Plaid über den Kopf gezogen und drehte sich zur Seite, um nicht erkannt zu werden.
»Mary? Du bist doch Mary – oder?«
»Schlaf weiter«, befahl Rodena energisch. »Ich brauche das Licht.«
Die Magd war zunächst von ihrem Befehlston eingeschüchtert, als Rodena jedoch mit der Laterne in der Hand davonging, kamen ihr Zweifel.
»Wer seid Ihr? Wohin wollt Ihr mit der Lampe? Mary – so wach doch auf!«
»Was ist los, Rona?««
»Jemand hat die Lampe weggenommen.«
Rodena verwünschte ihr Pech, denn die kleine Pforte am Ende des Ganges ließ sich nicht öffnen. Wütend riss sie an dem Riegel, dann hörte sie hinter sich Getuschel und wandte sich um.
»Das ist eine Diebin! Sie will an die Schätze des Lairds!«
»Weck den Laird auf!«
Oh Gott! Wenn die Wächter sie jetzt gefangen nahmen, würde man wohl auch auf die Idee kommen, nach Ewan zu sehen, und alles war zu Ende. Jetzt half nur noch die Flucht nach vorn.
»Ich habe mich verirrt«, sagte sie zu den beiden Frauen. »Zeigt mir den Weg zurück in meine Kemenate.«
Die Mägde waren unschlüssig, denn der Laird war streng, und man konnte für einen harmlosen Fehler blutig geschlagen werden. Auf der anderen Seite war der Laird ganz besonders schlecht gelaunt, wenn man ihn aus dem Schlaf weckte.
»Das ist die Braut, die gestern angekommen ist«, wisperte Mary.
»Richtig – jetzt erkenne ich sie auch.«
Die beiden schienen etwas erleichtert – zumindest war es keine Diebin. Dennoch betrachteten sie Rodena mit Misstrauen, denn sie konnten sich nicht erklären, was sie in diesem Teil der Burg zu suchen hatte. War nicht befohlen worden, dass niemand zu ihr durfte? Nicht einmal die Frauen und Töchter der Ritter?
»Ich habe den Abort gesucht, und dabei ist mir die Lampe ausgegangen«, log Rodena dreist. »Da habe ich mich im Finstern verlaufen.«
Das klang zwar auch nicht gerade einleuchtend, doch es konnte stimmen. Schließlich kannte die Fremde sich ja nicht aus.
»Hat Bonnie Euch nicht begleitet?«, fragte Mary. »Gute Güte – auf diese Person ist wirklich kein Verlass. Das ist eine kleine Verrückte, Lady. Aber seid ohne Sorge – ich werde Euch führen.«
Rodena atmete auf, die beiden glaubten ihr und würden keinen weiteren Lärm veranstalten. Wenn sie nur schon oben in der verdammten Kemenate wäre. Wie viel Zeit war vergangen? Was würde Ewan jetzt tun? Ob er die Klammer aus dem Stein gerissen hatte? Vermutlich. Oh, er würde schrecklich zornig auf sie sein!
Leider war Mary ebenso langsam wie redselig, und es schien Rodena, als suche sie mit Absicht den längsten Weg aus, um der Braut des Lairds möglichst viele wichtige Dinge über das Leben auf der Burg zuzuflüstern. Besonders auf die arme Bonnie hatte sie es abgesehen.
»Man sagt, ihre Mutter sei eine Browni, ein Kobold, gewesen, Lady. Wenn Sir Mathew, ihr Vater, nicht solch einen Narren an dem Mädel gefressen hätte – es gibt nicht wenige hier, die sie gern sonst wo sähen, aber nicht bei uns auf der Burg...«
Als sie endlich oben in der Kemenate ankamen, war Bonnie nirgendwo zu entdecken.
»Sie kann sich unsichtbar machen«, murmelte Mary ängstlich. »Nehmt Euch vor ihr in Acht, Lady.«
Rodena hatte nicht die Absicht, noch lange zu schwatzen. Sie schickte die Magd mit einem Wort des Dankes wieder fort, und kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, riss sie den Wandvorhang beiseite.
»Da steckst du ja!«
Bonnie sah verärgert aus, denn sie hatte gehört, was die Magd über sie geredet hatte.
»Ihr glaubt dieser dummen Ziege doch nicht
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