Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
die Hütte getreten war, bei dem Pächterpaar, und sie nickte Roger de Brionne zu, als sei nun der Augenblick gekommen, da sie ihren Part übernehmen musste.
»Er redet die Wahrheit, Laird«, sagte sie. »Ich selbst habe Euch hierhergetragen, da Ihr noch winzig klein wart und kaum aus dem Leib Eurer Mutter gekommen.«
Ewan war einige Schritte zurückgetreten, als stünde er vor einem Abgrund, der ihn schwindeln machte. Es konnte nicht sein, er wollte es nicht glauben. Die Alte erzählte Märchen – aber wieso auch Roger de Brionne? Er war ein harter Krieger und hatte niemals Sinn für erfundene Geschichten gehabt.
»Es scheint schwer zu glauben – und doch ist es wahr«, nahm jetzt Roger wieder das Wort. »Eure Mutter war Isobail, Duncans unglückliche junge Ehefrau, die später Alister heiraten musste. Sie wusste sehr wohl, dass Alister einen Sohn von Duncan nicht am Leben lassen würde, deshalb brachte Caja Euch hierher und nahm dafür David Turners neugeborene Tochter mit. Ein Mädchen konnte Alister MacBlair nicht gefährlich werden, deshalb wuchs Rodena unbehelligt an Alisters Hof auf.«
Ewan wandte sich zu Rodena um, deren Züge totenbleich geworden waren. Sie starrte auf das Pächterpaar, sah dann fassungslos wieder zu Roger hinüber, und endlich blieb ihr Blick an Cajas faltigem, sorgenvollem Gesicht hängen.
»Ihr seid Duncans Sohn, Ewan«, hörte sie Roger de Brionne sagen. »Ich wusste es sofort, als ich Euch sah. Und seit jenem Augenblick habe ich alles daran gesetzt, Euch zu einem Ritter zu machen. Alle unsere Hoffnungen liegen jetzt auf Euch, Ewan MacBlair.«
Rodena spürte Ewans Arm, der sich schützend um sie legte, doch sie war viel zu erschüttert, um darauf zu achten. Caja hatte David Turner einen energischen Wink gegeben, worauf der Mann einen kleinen Holzkasten aus einer Ecke hervorwühlte und ihn aufklappte.
»Ich glaubte zuerst, dass Ihr von Eurer Herkunft wusstet, als Ihr auf Alisters Burg gebracht wurdet«, sagte Roger zu Ewan und griff mit der Hand in den Kasten hinein. »Doch sehr bald begriff ich, dass sich die Turners nicht an das Versprechen gehalten hatten, das sie Isobail einst gaben.«
Er zog die Hand zurück, und im matten Schein des Talglichts glänzte es golden. Eine Kette hing aus seiner geschlossenen Faust heraus, seltsam fremd war ihr Glanz in dieser ärmlichen Hütte, und als er die Faust öffnete, sah man einen runden Anhänger, der ganz aus Gold gefertigt war. Geheimnisvolle Zeichen waren darauf eingeritzt, kleine Rubine schmückten den Rand wie eine dunkelrote gedrehte Schnur.
»Euer Urgroßvater brachte dieses Kleinod einst aus dem Heiligen Land nach Schottland mit«, sagte Roger und betrachtete den Anhänger mit Ehrfucht. »Euer Vater trug ihn und schenkte ihn seiner jungen Frau Isobail, als er erfuhr, dass sie schwanger von ihm war. Sie gab den Schmuck an David und Aileen, die damals versprachen, Euch das Geheimnis Eurer Herkunft an Eurem achtzehnten Geburtstag zu enthüllen.«
Ewan hatte Rodena losgelassen, um den Schmuck aus der Nähe zu betrachten, und er hörte ungläubig der stockenden Rede des Mannes zu, den er für seinen Vater gehalten hatte.
»Wir haben Ewan lieb wie unser eigenes Kind«, stammelte David Turner schuldbewusst. »Weshalb hätten wir ihm dieses Geheimnis verraten sollen? Er war ein ungestümer Knabe – wir hatten Angst, er würde sich Alister zu erkennen geben. Es wäre sein sicherer Tod gewesen...«
»Ihr solltet ihm den Weg zu mir weisen!«, rief Roger de Brionne zornig. »Aber er hat ihn auch so gefunden – lassen wir es gut sein.«
Er legte den Anhänger in Ewans Hand, der das Schmuckstück, immer noch zweifelnd, empfing und sich nicht entschließen konnte, es zu seinem Eigentum zu machen.
»Wir dürfen nicht mehr zögern«, nahm Roger das Wort wieder auf. »Alisters ungerechte Herrschaft wird bald ein Ende haben, denn die Pächter, die er seit Jahren ausgesaugt hat, werden auf unserer Seite kämpfen. Ich habe eine Anzahl mutiger Ritter zusammen, die längst nur noch unwillig in Alisters Diensten stehen und sich nach einem besseren, gerechteren Laird sehnen. Wenn Ihr uns anführt, Laird Ewan, dann werden wir siegen, denn Euer Name ist wie ein Banner, das uns vorangetragen wird.«
Rodena hörte diese feurige Rede wie im Traum, jedes Wort schien ein Echo zu haben, und ein dumpfer Rhythmus wie von einer Trommel wollte alles übertönen. Undeutlich sah sie, dass Ewan den Anhänger in seinen Ärmel steckte und sich Roger zuwandte.
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