Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
plötzlich gekommen, sie liefen ihr die Wangen herab und tropften ins Wasser des Sees. Sie schluchzte laut auf und hielt sich schnell die Hand auf den Mund, denn sie musste sich leise verhalten, damit man sie nicht entdeckte.
Er ist Ewan MacBlair und Duncans Sohn, dachte sie, und sie spürte, dass sie trotz ihres Kummers Freude und Stolz darüber empfand. Sie gönnte ihm sein Glück von ganzem Herzen. Ewan würde sich als würdiger Sohn seines Vaters erweisen, er würde in den Kampf ziehen und für sein Land streiten, so wie Roger es von ihm gefordert hatte. Und wenn Gott wollte, dann würde er siegen und das neue Oberhaupt des MacBlair Clans werden.
Ewan hatte ein großes Ziel, und es gab Menschen, die an ihn glaubten und zu ihm standen.
Was aber war ihr geblieben? Sie war ins Nichts gestürzt.
Sie schniefte und wischte sich die Tränen ab, es kamen jedoch immer neue, und auch das Schluchzen wollte nicht aufhören. Wie hochmütig hatte sie Ewan doch zu Beginn ihrer Bekanntschaft behandelt. Sie hatte auf ihn herabgesehen, weil er nur der Sohn einer Pächterfamilie war, sie hatte ihn herumkommandiert und ihm weise Lehren erteilt. Jetzt schämte sie sich dafür, denn sie hatte nicht das mindeste Recht dazu gehabt. Hatte sie nicht auch gesagt, die rebellischen Pächter müssten von Alisters Rittern streng bestraft werden? Was für ein Hohn! Sie waren ihresgleichen, diese armen Rebellen aus Hunger und Not. Sie, Rodena, war eine von ihnen.
Energisch wischte sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht und spürte, wie der Zorn in ihr aufstieg. Man hatte sie ohne ihr Wissen in diese Lage gebracht, ihre Eltern hatten sie einfach weggegeben. Was für Meinschen waren das, die ihre neugeborene Tochter fortgaben? Oh, wenn sie sich nur etwas gefasst hatte, dann würde sie zurückgehen und die beiden zur Rede stellen. Wie konnten sie ihr, Rodena, das antun?
Gleich darauf besann sie sich. Nein, sie würde diesen beiden Menschen, die ihre Eltern waren, niemals wieder unter die Augen treten. Sie wollte sie nicht mehr sehen, nie wieder, nicht in diesem und auch in keinem späteren Leben.
Sie hockte sich auf den steinigen Boden und umschloss die angewinkelten Knie mit den Armen. Ihr Zorn wärmte sie und half ihr, den Jammer zu überwinden, der ihr alle Lebenskraft rauben wollte. Wütend dachte sie daran, dass Caja die ganze Zeit über gewusst hatte, wer sie war. Und auch Roger de Brionne, dieser hinterhältige Heuchler. Deshalb hatte er sie immer so genau betrachtet, er hatte wissen wollen, wie die Tochter eines Pächters sich als Duncans Tochter machte. Er hatte ihr sogar Spielzeug geschnitzt, dieser Mistkerl. Jetzt hätte sie ihm seinen albernen Holzwagen, den er für ihre Puppe hergestellt hatte, gern vor die Füße geworfen. Und Caja? Die war um keinen Deut besser, die falsche Schlange. Was hatte sie doch gesagt? Sie habe immer an ihrer Seite gestanden. Wohl wahr. Sie hatte sie als Kind gegängelt und mit strengen Verboten geplagt.
Sie wischte sich die Augen, denn immer noch standen Tränen darin und trübten ihren Blick. Wie schön der See nun im Morgenlicht vor ihr lag. Die Nebel hatten sich aufgelöst, und die Sonne war zwischen den Wolken herausgekommen, jetzt schimmerten die kleinen Wellen silbrig, und die Ufer traten klar hervor. Enten wiegten sich auf den Wellen und tauchten nach Nahrung, zwei Reiher stelzten am Ufer herum, in der Hoffnung, ein paar Mäuse zu erwischen. Dort hinten war der breite Fels, auf dem sie sich gesonnt hatte, als Ewan sie heimlich beobachtete. Wie sehr war sie damals erschrocken, und doch war der Gedanke, von ihm betrachtet zu werden, so unglaublich aufregend gewesen. Er hatte sie von diesem Augenblick an begehrt, und später, als sie ohnmächtig in seinen Armen lag, hatte er sie wie ein Besessener geküsst... Ewan, der Mann, den sie liebte!
Plötzlich wurde ihr mit brutaler Klarheit bewusst, dass auch ihre Liebe keine Zukunft mehr hatte. Ewan war Duncans Sohn, wenn er den Kampf gegen Alister bestand, dann war Ewan MacBlair der neue Clan Chief und Laird.
Ein Laird kann niemals die Tochter eines armen Pächters zur Frau nehmen, dachte sie unglücklich. Ewan MacBlair wird sich eine andere Ehefrau suchen, denn seine Stellung verlangt, dass er die Tochter eines Clan-Oberhauptes oder wenigstens eines Ritters heiratet. Seinem Land zuliebe wird er mich vergessen müssen, selbst wenn es ihm schwerfallen sollte. Oh, das wird er gewiss tun, denn seine Pflichten als Laird und Chief werden ihm heilig
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