Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
sein, genau wie seine Schwüre.
Diese Erkenntnis war bitterer als alles andere. Sie hatte sich ihm hingegeben und war für einen wundervollen Tag seine Geliebte gewesen. Auf mehr durfte sie nicht hoffen.
Nun half auch kein Zorn mehr – sie spürte, wie die Verzweiflung sie überwältigen wollte. Alles, was ihr wichtig im Leben gewesen war, zerrann ihr unter den Händen. Ihre Herkunft, ihre Freunde und vor allem der Mann, den sie mehr als alles andere auf der Welt liebte. Ewan, der nun auf einmal so fern und unerreichbar geworden war.
Ihre Blicke irrten über die Weite des Wassers, hingen sich an dem fernen Kiefernwald und den dunklen Bergen fest, von denen einige bereits weiße Stellen auf ihren Kuppen trugen. Der Winter stand bevor.
Sie würde Ewan die Entscheidung nicht schwer machen, dazu liebte sie ihn zu sehr. Sie würde ohne Abschied aus seinem Leben verschwinden und irgendwohin laufen, wo niemand sie fand. Nur wohin sollte sie sich wenden?
Allein würde sie in den eisigen Highlands nicht überleben können, sie brauchte eine Zuflucht. Wer würde sie aufnehmen? Eine unnütze Esserin, die nichts weiter konnte, als mit einem Bogen zu schießen? Ach, wenn sie doch wenigstens fleißiger beim Nähen und Sticken gewesen wäre. Oder wenn sie gelernt hätte, aus Wolle einen Faden zu spinnen und Stoff daraus zu weben. Aber alle diese Künste waren ihr immer herzlich verhasst gewesen.
Plötzlich hörte sie es im Unterholz leise knacken, und sie fuhr erschrocken zusammen. Wie leichtsinnig sie gewesen war, einfach am Seeufer zu sitzen, wo sie jeder, der im Wald umherstreifte, erspähen konnte. So rasch sie konnte, raffte sie sich auf und lief in die schützende Deckung der Bäume.
Einen Moment lang hockte sie hinter einem dicken Kiefernstamm und überlegte, ob sie besser weiter in den Wald hineinlief oder abwartete, was geschehen würde. Dann – mitten in ihre Überlegungen hinein – flog ein Pfeil aus dem Wald heraus über das Wasser, tauchte ein und war verschwunden. Ein Entenpärchen, das ganz in der Nähe umherpaddelte, ließ sich kein bisschen bei seiner Beschäftigung stören.
Ein großer Jäger konnte das nicht sein, wenn er nicht einmal eine Ente treffen konnte. Neugierig streckte Rodena den Kopf hinter dem Stamm hervor und entdeckte einen kleinen Buben, der soeben aus dem Wald herauslief. Er trug einen Bogen in der Hand, der ganz offensichtlich selbst gebaut war, ebenso die krummen Pfeile in dem Köcher, den er über der Schulter hängen hatte.
Jetzt zog er einen neuen Pfeil heraus, ging in die Hocke, um besser zielen zu können, und legte den Pfeil an die Sehne an. Rodena war verblüfft, denn das Hütchen, das der Bursche trug, hatte einst ihr selbst gehört. Unter der Kopfbedeckung quoll ein Wust leuchtend roter Haare hervor.
»Melwin?«, rief sie leise.
Er ließ vor Schreck den Pfeil fallen, blieb in gebückter Haltung stehen und starrte misstrauisch auf die Stelle im Wald, woher die Stimme gekommen war.
»Lady?«, flüsterte er ungläubig. »Lady Rodena?« Sie trat hinter dem Stamm hervor und winkte ihn heran. Als er vor ihr stand, sah sie, dass sein Gesicht vor Aufregung glühte und sein Blick über sie irrte, als könne er immer noch nicht glauben, dass es tatsächlich Lady Rodena war, die ihn gerufen hatte.
»Was treibst du hier, Melwin.?«, wollte sie lächelnd wissen. »Hast du gar das Bogenschießen erlernt?«
Er schlug die Augen nieder, denn sein Schuss war nicht gerade großartig gewesen, und sie hatte das bestimmt gesehen.
»Ich übe mich, sooft ich kann«, erklärte er. »Bald wird es große Kämpfe geben, und ich will mit dabei sein.«
Sie betrachtete ihn zweifelnd, denn er war eigentlich noch zu klein, um als Knappe mit einem Ritter in den Kampf zu ziehen.
»Was für Kämpfe?«, fragte sie ahnungsvoll.
Er fuhr sich über die Stirn, um eine vorwitzige Mücke zu verscheuchen, und sah Rodena dann mit einem Blick an, der besagte, dass diese Dinge eigentlich Männersache waren, dass er jedoch aus lauter Freundschaft trotzdem bereit war, es ihr zu erklären.
»Es ist Aufruhr im Land«, sagte er und machte dabei eine unbestimmte Armbewegung, die den gesamten See umfasste. »Alister ist ein böser und ungerechter Clan Chief, das ist der Grund, weshalb die Pächter sich erhoben haben. Aber auch einige der Ritter haben die Burg verlassen. Roger de Brionne führt sie an, und ich bin mitgezogen.«
»Du?«, meinte Rodena erschrocken. »Aber du bist doch noch viel zu jung.«
Melwin reckte
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