Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
dennoch befriedigt sah Melwin ihm nach. Ja, es würde sicher nicht schaden, wenn Ewan noch ein wenig trainierte.
Rodena war wie betäubt, seitdem sie wusste, welches Schicksal Alister für sie auserkoren hatte. Es war die große, einmalige Chance, an die sie schon nicht mehr hatte glauben wollen – Alister wollte Ewan zum Ritter schlagen, und damit würde er um sie streiten können. Er würde den Sieg davontragen, dessen war sie sich sicher – vor allen Leuten, vor der versammelten Ritterschaft, würde Ewan zum Turniersieger erklärt werden, und Alister konnte ihm dann ihre Hand nicht mehr verweigern.
Wer hätte gedacht, dass sich alles noch zum Guten wenden würde? Welches himmlische Wesen, welche irdische Fee hatte ihr Schicksal so glücklich gelenkt?
Dann war ihr eingefallen, dass Ewan möglicherweise noch zornig auf sie war und am Ende gar nicht antreten würde. Verzweifelt hatte sie überlegt, wie sie ihn ihrer Liebe versichern könnte, denn Alister hatte ihr verboten, die Kemenate zu verlassen und zwei Wächter vor die Tür gestellt. Die Lösung war einfach. Sie schnitt ein Stück von ihrem grünen Seidengewand ab, stickte in aller Eile einen Löwen darauf – das Symbol, das ihr Vater auf seinem Schild getragen hatte – und bat den kleinen Melwin, Ewan dieses Zeichen zu überbringen. Ganz sicher würde er jetzt begreifen, dass sie ihn liebte und auf ihn hoffte.
Das Gewand hatte bei ihrer hastigen Aktion leider etwas gelitten. Sie hatte den Stoffstreifen unten aus dem Saum herausgeschnitten und die Stelle dann mit ein paar Stichen vernäht, doch leider verzog sich der Stoff nun auf merkwürdige Weise – ach, wenn Caja noch bei ihr gewesen wäre, dann hätte sie Rat gewusst. Aber vielleicht fiel das ja gar nicht auf, wenn sie das Gewand trug?
Hoffnungsvoll streifte sie ihr Alltagskleid herunter und wollte gerade probeweise in das grüne Festgewand schlüpfen, als sie plötzlich zwei dumpfe Schläge vor ihrer Tür vernahm.
Was treiben denn die beiden Kerle da draußen im Treppenaufgang, dachte sie verärgert. Prügeln sie sich zum Zeitvertreib?
Da wurde die Tür zur Kemenate aufgerissen, und Rodena stieß einen erschrockenen Laut aus. Vor ihr stand Ewan, die Fäuste geballt, sein Gesicht glühte vor Zorn.
»Was... was willst du hier?«, stammelte sie.
Dann erst wurde ihr bewusst, dass sie nichts als das lange Hemd am Leibe trug, und sie ging hinter dem offen stehenden Deckel einer großen Truhe in Deckung.
»Kein Angst, schöne Rodena«, sagte er spöttisch und schloss die Tür hinter sich. »Ich habe nicht vor, Eure Tugend zu gefährden.«
Sie dachte an seine wilden Zärtlichkeiten, damals am Bach, und fand es lächerlich, dass er jetzt auf einmal um ihre Tugend besorgt sein wollte.
»Ich komme nur, um Euch das Geschenk zurückzugeben, dass Ihr mir zugedacht hattet«, fuhr er fort und zog die Schärpe aus seinem Ärmel. »Ich danke für Euer Vertrauen – doch ich werde gewiss nicht um Euch kämpfen, Rodena!«
Verblüfft sah sie zu, wie er die Schärpe vor ihr auf den Boden warf, dann hob er den Blick zu ihr, und seine blaugrauen Augen schienen sie durchbohren zu wollen.
All ihre Hoffnungen sackten in sich zusammen. Oh Himmel, er war immer noch wütend auf sie.
»Dann muss ich wohl geträumt haben, dass du mir vor einigen Tagen deine Liebe erklärt hast?«
Seine Lippen pressten sich jetzt fest aufeinander, und seine Züge wurden starr.
»Ganz recht«, stieß er hervor. »Es war ein Traum, Rodena. Ebenso wie die Zärtlichkeiten und die Hingabe, die ich von Euch zu spüren glaubte. Es war nichts als Täuschung und Betrug.«
Er war beleidigt, dieser dumme Kerl! Wie konnte er nur so einfältig sein? Langsam stieg auch in ihr der Ärger auf. Sie hatte sich alles so schön ausgedacht, und jetzt stellte er sich quer, dieser Sturkopf.
»Du hast Recht«, gab sie spitz zurück. »Es waren alles nur Träume und Hirngespinste. Mir träumte sogar, ich hörte einen Bach rauschen und läge in deinen Armen, ganz ohne Kleider...«
Jetzt erschrak er doch, denn ganz offensichtlich war ihre Ohnmacht damals nicht so tief gewesen, wie er es angenommen hatte.
»Das... das müsst Ihr in Eurer Fantasie gesehen haben«, stotterte er. »Vielleicht war es ein boshafter Gnom oder eine Elfe, die Euch diese Dinge im Schlaf vorgegaukelt hat...«
»Es ist also in keinem Fall wirklich geschehen, Ewan Turner?«
Plötzlich hatte sie die Oberhand gewonnen, denn er war nun in Bedrängnis geraten. Sollte er lügen? Das
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