Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
im Raum der Wachen hörte man jetzt die Tritte der Männer, denn es war Zeit für die Ablösung.
»Dann ist jedes weitere Wort zu viel!«, sagte Roger mit Bitterkeit in der Stimme und verließ die Waffenkammer.
Ewan blieb allein zurück, er schämte sich jetzt, denn er hatte im Zorn und gegen die eigene Überzeugung geredet, um Roger zu verletzen. Düster brütete er eine Weile vor sich hin und trat dann zornig gegen eines der hohen Schilder, die an der Wand lehnten. Das hölzerne Schild kippte zur Seite und riss eine Reihe anderer Gegenstände mit, die scheppernd umfielen.
Niemand wagte Ewan nach dem Lärm zu fragen, als er durch den Wachenraum schritt, denn man fürchtete die unwirschen Antworten und kräftigen Fäuste des jungen Mannes. Er war während der letzten Tage ziemlich reizbar gewesen und hatte sich tatsächlich wenig Freunde gemacht.
Im Burghof herrschte buntes Treiben, denn die Mägde nutzten das schöne Herbstwetter, um die Gewänder in großen Holzzubern mit Seife und Pottasche zu waschen. Schwatzend und lachend hockten die Frauen dicht nebeneinander, rieben die nassen Gewänder an großen Steinen und spülten sie dann im klaren Wasser aus. Freche Reden und Scherze schwirrten über den Hof, Knappen mussten Eimer mit Wasser oder gewaschener Wäsche herbeischleppen, und die erwachsenen Männer saßen in kleinen Gruppen gegen die Mauern gelehnt, um den Frauen bei der Arbeit zuzusehen. Nicht selten konnte man dabei auch ein bloßes Knie, den Ansatz der Brüste oder gar einen nackten Oberschenkel erspähen, denn die Frauen zogen die Röcke hoch, damit sie bei der Arbeit nicht nass wurden.
Ewan hatte keine Augen für solch erregende Ausblicke, er drängte sich an den Männern vorüber und fand einen Platz dicht neben der großen Scheune, wo er unbelästigt sitzen und seinen Gedanken nachhängen konnte.
Er hatte Roger zwar gesagt, dass er die Burg verlassen wolle – doch selbst war er noch lange nicht endgültig dazu entschlossen. Seit gut einer Woche quälte er sich mit der Entscheidung herum, die eigentlich längst überfällig war und die ihm doch unendlich schwerfiel.
Rodena hatte ihn arglistig getäuscht – das würde er ihr niemals vergeben können. Zuerst hatte sie sich seinen Liebkosungen hingegeben, sie sogar erwidert und ihm vorgegaukelt, mit ihm fliehen zu wollen. Er biss sich auf die Lippen und nannte sich wohl zum hundertsten Mal einen Idioten, denn er hatte sich sogar hinreißen lassen, ihr seine Liebe zu gestehen.
Dabei hatte sie nur die Gelegenheit zur Flucht nutzen wollen – vermutlich hätte sie sich jedem an den Hals geworfen, der ihr aus diesem verdammten Loch heraushelfen wollte.
Dann aber, als Roger de Brionne im Kerker auftauchte, war sie rasch zur anderen Seite gewechselt, denn vermutlich hatte sie nicht glauben können, dass er, Ewan Turner, imstande war, den großen Roger zu besiegen. Vielleicht war es das, was ihn am meisten gekränkt hatte: Sie vertraute ihm nicht.
Mehr noch – sie hatte Roger mit ihrem eigenen Körper beschützt. Die quälende Eifersucht stieg wieder in Ewan auf, Roger mochte es leugnen, sooft er Lust hatte, es gab eine zärtliche Verbindung zwischen Rodena und dem alten Kämpfer.
Er, Ewan Turner, hatte gute Gründe, sein Glück woanders zu suchen. Und trotz allem brachte er es nicht fertig, Rodena ihrem Schicksal zu überlassen.
Sie war es nicht wert – und doch wachte er hartnäckig über sie, bedrohte Gavin täglich aufs Neue, damit er seiner Gefangenen nichts zuleide tat. In schlaflosen Nächten hatte er zahllose Pläne erdacht, sie gewaltsam zu befreien und mit ihr zu fliehen – doch er hatte sie alle verworfen.
Warum sollte er für eine doppelzüngige Person, die ihn nicht einmal liebte, sein Leben riskieren? Nur ein Idiot tat so etwas.
Es war jetzt endgültig Zeit, sich von ihrem Zauber loszureißen und fortzugehen.
In diesem Augenblick geschah etwas Seltsames. Der fröhliche Lärm auf dem Burghof erstarb, die Wäscherinnen hielten mitten in ihrer Bewegung inne, ein kleiner Knappe, der einen Stapel Holz herbeischleppte, ließ seine Last sogar fallen, dass die Äste den Männern vor die Füße rollten. Aller Augen hingen am weit geöffneten Eingang des Wohnturms, wo jetzt Gavin zu sehen war, der mit schleppenden Schritten die Treppe in den ersten Stock hinaufstieg. Ihm folgte eine Magd, die schwer an einem Bündel schleppte, dann erschien – Rodena. Als sie am Eingang vorüber zur Treppe lief, hob ein leichter Windstoß ihr langes Haar
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