Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
in Begeisterung ausbrechen. Sagten die Leute nicht, Alister wolle ihn zum Ritter schlagen? Dann könnte Ewan doch am Kampf teilnehmen und Rodena zur Frau nehmen. Melwin verehrte Rodena schon eine ganze Weile, eigentlich hatte er sich vorgenommen, sie eines Tages selbst zu heiraten – aber er hatte eingesehen, dass er einfach zu jung für sie war. Doch Ewan würde alle anderen Bewerber im Turnier bezwingen, und er war der Einzige, dem Melwin Rodenas Liebe gönnte.
Doch Ewan Turner schien das bevorstehende Turnier völlig kaltzulassen. Scheinbar gleichgültig sah er zu, wie die Ritter ihre Knappen zu Airdan sandten, um sich für den Tjost anzumelden, dann starrte er einen Moment hinauf zum Fenster der Kemenate, weit oben im Wohnturm, beschattete die Augen vor der Sonne und verzog das Gesicht. Gleich darauf ging er eiligen Schrittes über den Burghof zur großen Halle hinüber, schob sich an einer Gruppe Frauen vorbei, die den gut gebauten jungen Mann mit zärtlichen Blicken bedachten, und verschwand im Inneren des Gebäudes.
Nein – so sehr diese Nachricht sein Inneres aufgewühlt hatte, er würde bei diesem Wettkampf nicht mitmischen. Zwar stach ihn der Ehrgeiz gewaltig, sich mit anderen Kämpfern zu messen, doch nicht um diesen Preis. Während er an seinem Lager kniete, um seine Habseligkeiten zusammenzupacken, dachte er grimmig darüber nach, dass Roger de Brionne ganz gewiss um Rodena streiten würde – nun, die Chancen des alten Kämpfers, die Braut zu gewinnen, standen nicht übel. Für einen Moment schlich sich der Gedanke in sein Hirn, gegen Roger anzutreten, ihn in aller Öffentlichkeit zu besiegen, um schließlich stolz auf Rodena zu verzichten und sie dem Unterlegenen zu schenken. Doch gleich darauf schämte er sich dieser Idee, denn sie war boshaft und würde nicht nur Roger, sondern auch Rodena tief demütigen.
Er würde Alister nicht um Erlaubnis fragen, sondern die Burg heimlich auf eigene Faust verlassen. Schwert und Rüstung, die nicht sein Eigentum waren, würde er mitnehmen, denn er war der Meinung, sich diese Wehr mehr als verdient zu haben. Außerdem würde er sie brauchen. Er würde auch eines der Pferde nehmen müssen, denn zu Fuß würde er Alisters Herrschaftsgebiet nicht rasch genug verlassen können. Ewan war kein Pferdedieb und würde das Tier später zur Burg zurückschicken.
Wenn er den Kittel über Brustpanzer und Armschienen zog, würde niemand etwas bemerken...
»Laird?«
Ärgerlich wandte er den Kopf, denn schon wieder stand Melwin vor ihm, strahlte über das ganze Gesicht und schien vor Aufregung schier zu platzen.
»Was gibt’s denn?«, knurrte Ewan unwirsch.
Er mochte den kleinen Kerl – vielleicht war es der einzige Bursche auf der Burg, um den es ihm leidtat. Dennoch war Melwins Anhänglichkeit reichlich anstrengend – besonders in diesem Moment.
»Man hat mir aufgetragen, Euch etwas zu bringen«, sagte der Kleine stolz und hielt Ewan ein kleines Stoffbündel unter die Nase.
»Was soll ich damit?«
»Es auswickeln und hineinschauen«, entgegnete Melwin fröhlich, und seine grünlichen Augen glänzten dabei, als befände sich in diesem Bündel ein ganzes Königreich.
Ewan seufzte, doch er nahm das Geschenk an, denn alles andere hätte jetzt nur unnötigen Ärger verursachen und seine Abreise verhindern können. Als er den braunen, groben Stoff auseinanderfaltete, fand er darunter eine hellgrüne Schärpe aus feinster Seide, mit goldfarbigen Zeichen bestickt. Ohne Zweifel das Geschenk einer Frau.
»Wer schickt mir das?«
Melwin sah mit einem Lächeln zu ihm hoch. Jetzt fiel Ewan auch auf, dass der wilde Haarschopf des Kleinen geglättet worden war, und auch sein Gewand schien ungewöhnlich sauber. Die Dame hatte sich Mühe gegeben, ihren Boten anständig herzurichten.
»Erratet Ihr es nicht?«
Ewan besah die Schärpe von allen Seiten, versuchte, die Stickerei zu deuten, doch es gelang ihm nicht. Es konnte ein Tier sein, ein Wolf, oder vielleicht ein Wildschwein...
»Lass das Rätselspiel«, sagte er mürrisch. »Von wem ist dieses hübsche Stück Stoff?«
»Große Güte«, meinte Melwins kopfschüttelnd. »Es ist natürlich von Rodena. Sie bittet Euch, im Kampf diese Schärpe zu tragen, die die gleiche Farbe wie ihr Gewand hat, und sie lässt Euch sagen, dass Sie Euch den Sieg wünscht und darauf hofft, dass...«
Melwin kam mit seiner Rede nicht zu Ende, denn Ewan war aufgesprungen und, ohne eine Erklärung zu geben, davongerannt. Ein wenig überrascht, aber
Weitere Kostenlose Bücher