Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
Dunkelheit, und vor ihren Augen lief immer wieder das Geschehen ab, das zu Ewans Niederlage geführt hatte. Der Anritt, bei dem sein Pferd plötzlich scheute, der Stoß von der Seite, dem Ewan, der sein Pferd bändigen musste, nicht ausweichen konnte. Oh, er hätte jeden Gegner besiegt, wenn die Umstände normal gewesen wären. Doch das Schicksal hatte seinem Gegner einen Vorteil verschafft, und Ewan fehlte die Erfahrung, um aus der ungünstigen Lage doch noch einen Sieg zu machen.
Als das bläuliche Morgenlicht durch das Fenster der Kemenate drang, hörte sie die beiden Mädchen miteinander flüstern, und sie erinnerte sich traurig daran, dass auch sie und ihre Schwestern hier in der Kemenate nebeneinandergelegen und leise geschwatzt hatten. Es hatte manchen Streit mit Marian und Fiona gegeben – und doch hatte sie damals noch keine Ahnung davon gehabt, wie viel Kummer das Leben bereithalten konnte.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Mathildas Mägde endlich die Habseligkeiten ihrer Lady in einer Truhe verstaut und aus der Kemenate geschleppt hatten, und auch der Abschied gestaltete sich langwierig. Mathilda schilderte in bewegten Worten, welches Glück Rodena an der Seite ihres Ehemannes bevorstand, über welchen Reichtum und Einfluss sie nun bald verfügen würde, und sie ließ mehrfach durchblicken, dass sie und ihr Ehemann gern zu den Feierlichkeiten geladen wären – natürlich in Begleitung ihrer Töchter.
Die beiden Mädchen sahen Rodena beim Abschied mitleidig an und wünschten ihr Glück, weiter wagten sie nichts zu sagen, denn die Mutter schob sie bereits aus der Kemenate.
Rodena zwang sich abzuwarten, bis Mathilda und ihre Töchter unten im Hof ihren Wagen bestiegen hatten, dann rief sie nach ihrer Magd.
»Bring heraus, was mit Ewan Turner geschehen ist!«
»Verzeiht, Lady«, stammelte die junge Frau. »Das kann ich nicht.«
»Weshalb nicht?«, rief Rodena erbost.
»Der Laird hat es verboten.«
Wütend riss Rodena die Tür der Kemenate auf und lief die Treppe hinunter, doch noch bevor sie den Ausgang erreichte, hatten die Wächter sie gefasst.
»Ruhig, Lady. Alister hat befohlen, dass Ihr in der Kemenate bleiben sollt.«
Es war Gavin, der nur darauf gewartet hatte, sie packen zu können, um seine Rachegelüste an ihr zu kühlen. Mit festem Griff hielt er sie von hinten umklammert, und es schien ihm völlig gleichgültig, dass sie wie eine Besessene schrie.
»Ich will zu Alister! Ich will wissen, was mit Ewan geschehen ist! Ihr verfluchten Betrüger...«
»Bring sie zum Schweigen, es sind noch Gäste in der Burg!«
Eine feste Hand legte sich auf ihren Mund, man zog sie trotz ihrer verzweifelten Gegenwehr die Treppe hinauf und stieß sie auf ihr Lager. Sie fuhrtaumelndwieder hoch, stürzte sich gegen die geschlossene Tür, rüttelte verzweifelt daran und begriff endlich, dass man von außen den schweren Riegel vorgeschoben hatte. Sie trommelte mit den Fäusten gegen das Holz, kreischte, tobte, riss sich die Finger wund, schlug sich die Knie blau und sank endlich wie leblos in sich zusammen.
Sie erwachte auf ihrem Lager, ein feuchtes Tuch lag ihr über Stirn und Augen, und als sie es fortzog, schien der Raum seltsam um sie zu schwanken. Das schmale Gesicht einer ältlichen Magd beugte sich über sie, eine kalte Hand berührte ihr Handgelenk und verharrte dort eine Weile wie der Krallengriff eines Raubvogels.
»Sie fiebert immer noch. Versuch ihr etwas von dem Trank einzuflößen, die Weidenrinde hilft gegen das Fieber.«
Doch Rodena biss die Zähne fest zusammen und schluckte keinen einzigen Tropfen von dem bitteren Sud. Das Gesicht der Magd verschwamm vor ihren Augen, schien sich auseinanderzuziehen und zu einem hohläugigen Gnomenkopf zu werden, der ihr zugrinste. Jemand umgab ihr Lager mit feurigem Brand, sie glaubte, kleine, gelbe Flämmchen zu sehen, und spürte die Hitze, die sie verbrennen wollte.
Irgendwann schüttelte sie jemand so heftig, dass sie aufstöhnte, und sie hörte Alisters heisere Stimme.
»Das machst du kein zweites Mal mit mir! Steh auf! Verflucht, ich habe gesagt, du sollst aufstehen...!«
Sie öffnete mühsam die Augen und sah in sein wutverzerrtes Gesicht, das einem zähnefletschenden Wolf ähnelte.
»Ewan«, flüsterte sie mit trockenen Lippen. »Was ist mit Ewan? Ich will es wissen...«
»Hängst du immer noch an deinem Liebhaber?«, zischte er. »Vergiss ihn. Er ist tot und wird zu Grabe getragen. Hörst du die Glocke der Burgkapelle? Es ist sein
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