Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
notdürftig festzutrampeln, zerbrochene Lanzen wurden eingesammelt, die Kinder, die sich gar zu weit vorgewagt hatten, wieder hinter die Barrieren zurückgeschickt. Außerdem war es kühl geworden, die Damen ließen sich Plaids reichen, um sich darin einzuwickeln, und Airdan, der Barde, krähte laut, der Feuerschlucker solle ein wenig von der Glut wieder ausspucken, denn er friere an den Beinen. Doch nur ein paar kleine Buben lachten über den Scherz.
Die Kämpfer saßen bereits wieder in den Sätteln, jedoch ohne Helm und Lanze, und Ewan hatte erst jetzt Gelegenheit, das Gesicht seines Gegners zu betrachten. Mathew Cameron war nicht unschön, er hatte dunkle, hochgewölbte Augenbrauen und eine gerade, fast edle Nase. Nur die beiden tiefen Furchen rechts und links seines Mundes gaben seinen Zügen etwas Unberechenbares. Cameron erwiderte Ewans neugierigen Blick und neigte unmerklich den Kopf. Dann lächelte er und setzte gelassen seinen Helm auf.
Alister hatte sich jetzt von seinem Platz erhoben und gab das Zeichen, dass der Kampf beginnen solle. Aufgeregt schoben und drängten sich die Menschen, reckten die Köpfe, und ungeachtet des Verbots stiegen einige Buben wieder auf die Barrieren, jederzeit in Gefahr, herunterzupurzeln und den anreitenden Pferden zwischen die Hufe zu geraten.
Die Kämpfer machten sich bereit, nahmen Aufstellung und senkten die Visiere ihrer Helme. Ewan brachte die schwere, hölzerne Lanze in Position und trieb sein Pferd mit Bedacht an, denn dieser Gegner würde nicht mit einem einzigen, überraschenden Stoß aus dem Sattel zu heben sein, dazu war Mathew Cameron zu erfahren. Er hörte Rogers anfeuernden Ruf, das Pferd unter ihm galoppierte los, gewann rasch an Schnelligkeit-von der anderen Seite stürmte der Ritter mit dem dunklen Harnisch heran. Ewan hörte den gewaltigen Lärm der Zuschauer kaum, er zielte mit der Lanzenspitze auf das bunte Schild, das der Gegner ihm entgegenhielt, bereitete sich auf den Stoß vor, um nicht aus dem Sattel gehoben zu werden – daplötzlich geschah etwas völlig Unerwartetes. Ewans Pferd scheute mitten im Lauf, bäumte sich auf, und während er noch beschäftigt war, das Tier zu bändigen, traf ihn ein harter Lanzenstoß in die Seite. Der Atem ging ihm aus, er rang keuchend nach Luft, wendete das Pferd mit Mühe und sah hinüber, ob auch sein Gegner wieder zum Kampf bereit war. Es schwindelte ihn, schwarze Wolken schienen vor den schmalen Sehschlitzen des Visiers vorüberzuziehen, dann sah er, dass Cameron das Zeichen zum Anritt nicht abgewartet hatte, sondern bereits auf ihn zustürmte. Dem braunen Ross schienen Flügel gewachsen zu sein, während Ewan das Gefühl hatte, kaum von der Stelle zu kommen, seine Lanze streifte den Schild des Gegners, zugleich jedoch verspürte er einen so gewaltigen Stoß gegen die Brust, dass ihm die Sinne schwanden.
Er spürte nicht mehr, dass er zur Seite sank und, mit einem Fuß im Steigbügel hängend, über den Platz geschleift wurde, bis es Roger und einigen Helfern endlich gelang, sein Pferd einzufangen und ihn zu befreien.
Der Sieger erhielt nur wenig Beifall, obgleich er seinen Gegner nach allen Regeln der Kunst bezwungen hatte. Die Zuschauer waren enttäuscht, Gemurmel lief durch die Reihen, unzufriedene Rufe wurden laut, als das Wort »Betrug« die Runde machte, nahmen Alisters Männer eine drohende Haltung ein, und die aufgeregten Menschen beruhigten sich.
»Was für ein Jammer«, seufzte Mathilda an Rodenas Seite.«Bei solchen Turnieren kommen stets die besten, jungen Männer ums Leben. Man sollte Turniere überhaupt verbieten!«
Rodena war noch wie betäubt. Sie starrte auf den leblosen Körper, vor dem Roger de Brionne kniete, um Helm und Brustpanzer zu lösen, und Rodena konnte erkennen, dass Ewan totenbleich war. Sein Kopf fiel zur Seite, der Körper bewegte sich nicht – hatte er sich bei dem Sturz das Genick gebrochen?
Ihre Augen irrten über den von aufgeregten Menschen wimmelnden Platz, und die Verzweiflung nahm ihr fast den Atem. Ewan war tot, es gab für sie keine Hoffnung mehr, keine Liebe, kein Glück. Von nun an war es völlig gleich, was mit ihr geschah, sie würde Mathew Camerons Ehefrau werden, er war nicht schlechter als jeder andere. Da spürte sie, wie eine kräftige Hand sie am Arm fasste.
»Gratuliere, mein Kind«, sagte Mathilda gönnerhaft. »Nun bekommst du doch noch den Mann, der dich zuerst nicht haben wollte.«
Mathilda streichelte ihr mit mütterlichem Lächeln über die
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