Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
hinzunehmen.
Rodenas Beine zitterten, als sie die Treppen hinunterging, um auf dem Burghof von allen Freunden Abschied zu nehmen und in den vorbereiteten Wagen zu steigen. Es war wie ein Rausch, wieder in Ewans Nähe zu sein, seine Stimme zu hören, seine Blicke zu fühlen, und sie war sich sicher, dass auch er ihr entgegenfieberte. Doch sie mussten vorsichtig sein, keiner von beiden durfte sich etwas anmerken lassen.
Ewan schien sich dessen bewusst zu sein, denn sein Gesicht war verschlossen, als er sie anblickte. Mit höfischer Geste neigte er den Kopf und bat um Erlaubnis, sie auf der gefahrvollen Reise zu ihrem Bräutigam schützen zu dürfen.
»Ich vertraue vollkommen und in allen Dingen auf Euch, Ritter Ewan«, sagte sie ernsthaft und suchte seinen Blick.
Er wich ihren Augen aus.
»Ich werde mein Leben für diese Aufgabe einsetzen, so wie ich es meinem Laird gelobt habe.«
Mit einer steifen Bewegung erhob er sich und überließ es einem anderen, sie in den Wagen zu geleiten, wo sie unter aufgespannten Häuten Schutz vor Regen und Wind finden würde. Obgleich Rodenas Verstand ihr sagte, dass Ewan sich klug verhielt, war sie doch enttäuscht – hätte er ihr nicht wenigstens einen einzigen, freundlichen Blick schenken können? Er tat ja gerade so, als sei sie eine Fremde.
Es gab kein festliches Abschiedsmahl wie damals, als Fiona zu ihrem Bräutigam reiste, denn Alister wollte alles vermeiden, was die Angelegenheit verzögern könnte. Es war spät im Jahr, die ersten Herbststürme fegten über die Highlands, Regen und Kälte würden der Reisegesellschaft heftig zusetzen. Man konnte froh sein, wenn Braut und Gepäck heil auf Malcolm MacLeads Burg angekommen waren.
Beklommen zwängte sich Rodena auf den engen Sitz, den man für sie aus Polstern zwischen Kisten und Kasten aufgebaut hatte. Es roch nach Feuchtigkeit, denn die Wagen hatten bereits tagelang zum Beladen auf dem Burghof im Nieselregen gestanden, und von den Häuten tropfte es in den Innenraum hinein. Immerhin hatte Alister MacBlair es sich nicht nehmen lassen, Rodena mit einer angemessenen Aussteuer zu ihrem Gemahl ziehen zu lassen. Allerdings hatte Fiona recht behalten: Rodenas Brautzug war lange nicht so prächtig und wertvoll wie der ihrer Halbschwestern. Alister war vorsichtig, denn um diese Jahreszeit hatten die Pächter ihre Ernteerträge und das Schlachtvieh abzuliefern, was stets ein Grund für Ärger und sogar Aufruhr gewesen war.
Ruckelnd setzte sich der Wagen in Bewegung, und Rodena musste eine der Häute zur Seite schlagen, um nach draußen sehen zu können. Die Gesichter der Menschen, die ihr nachsahen, wurden im dichten Regen rasch undeutlich, einige der Frauen zeigten Mitleid, andere waren gleichgültig. Vermutlich waren die meisten froh, dass sie endlich fortreiste. Dicht hinter dem Tor, als die Wagen schon über die hölzerne Brücke rollten, stand eine Gruppe Pagen und Knappen – mitten unter ihnen leuchtete der rote Schopf des kleinen Melwin. Er sah bekümmert aus, und ihr schien, als seien die dicken Tropfen an seinen Wangen kein Regen, sondern Tränen. Als sie lächelnd die Hand hob, um ihm zum Abschied zuzuwinken, drehte er sich blitzschnell um, stieß seine Gefährten zur Seite und rannte davon, als sei der Teufel hinter ihm her.
Fröstelnd zog sie das Plaid enger um die Schultern und versuchte, das Ruckeln und Stoßen der hölzernen Wagenräder abzufangen. Die beiden Mägde, die zu ihrer Bedienung mitreisten, mussten ohne Polster auf dem blanken Holz des Wagens hocken, und sie hörte die Mädchen jammern, dass dies eine wahre Höllenfahrt werden würde.
»Heute Abend werden wir jeden Knochen einzeln im Leibe spüren!«
Sie seufzte und dachte daran, dass es schlimmere Sorgen gab, als ein paar blaue Flecke an der Kehrseite. In wenigen Tagen würde sie ihrem ungeliebten Bräutigam gegenüberstehen, und er würde alles Recht der Welt haben, sie als seine Ehefrau auf sein Lager zu zwingen. Was für ein grotesker Einfall von Alister, ausgerechnet Ewan zu ihrem Brautführer zu machen. Es war boshaft, und er hatte es ohne Zweifel getan, um sie und Ewan zu quälen. Und doch war es auch unvorsichtig...
Alles hing davon ab, ob Ewan sie aufrichtig und bedingungslos liebte. Wenn er das tat, würde die Entscheidung leicht sein.
Sie hörte, dass eine Gruppe Reiter sich dem Zug näherte, und schlug die Zelthaut zurück, wobei ein Schwall Regenwasser ins Innere des Wagens klatschte. Es waren nur wenige Männer, die sich gegen den
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