Die wehrhafte Braut: Roman (German Edition)
Befehle, die jeden an seinen Platz wiesen.
Rodena begriff, dass eine solch günstige Gelegenheit sicher nicht wiederkommen würde. Ohne zu zögern, trieb sie ihre Stute an und verschwand im Nebel. Eine Weile noch hörte sie das Ächzen und Fluchen der Männer hinter sich, dann wurden die Geräusche dumpfer und verloren sich ganz. Sie überließ es der Stute, sich einen Weg durch den nebligen Kiefernwald zu suchen, lauschte auf jeden Laut, jedes Knarren im Gehölz und beruhigte sich, dass außer dem Schnauben der Stute und ihren Huftritten nichts zu hören war.
Der See lag so unbeweglich, dass sie das leise Plätschern der Wellen erst vernahm, als die Stute schon das Ufergeröll unter den Hufen hatte. Sie gönnte dem Tier eine kurze Rast, damit es seinen Durst löschen konnte, und entschied sich dann, das nördliche Ufer zu wählen, um sich so weit wie möglich von Malcolms Gebiet zu entfernen. Wenn sie Glück hatte, würde keiner von Ewans Rittern sie im dichten Nebel entdecken, sodass es ihr gelingen könnte, wieder zu Keith MacDonalds Burg zurückzureiten. Sie hoffte inständig, dass er sich an sein Versprechen halten und sie vor Alisters und Malcolms Zorn schützen würde.
Sie war noch nicht lange geritten, da brach die Sonne durch den Nebel, und die weißen Dunstschwaden begannen sich aufzulösen. Sie fluchte leise vor sich hin und trieb ihre Stute an, um das Seeufer möglichst rasch hinter sich zu lassen und im Wald und Felsgewirr Deckung zu finden. Gleich darauf fuhr sie erschrocken zusammen, denn sie vernahm das Geräusch von Hufschlägen. Ein Reiter verfolgte sie.
Sie verwünschte ihre Idee, am Ufer entlangzureiten, denn jetzt wurde der Boden sumpfig, tote Äste und halb vermoderte Stämme lagen im Weg, Vögel erhoben sich in die Luft, wenn sie sich näherte, und verrieten ihre Anwesenheit. Sie wandte sich im Sattel um und sah voller Entsetzen, dass ihr Verfolger bereits als schwarzer Schatten zwischen den vorüberwehenden Nebelschwaden zu sehen war. Angstvoll trieb sie die Stute an, zwang sie, über sumpfiges Gras und fauliges Geäst zu galoppieren, doch die Hufe des Tieres sanken tief in den Morast ein, und der Verfolger kam immer näher. Dann versperrte plötzlich eine umgestürzte Kiefer den Weg, die Stute setzte zum Sprung an, und Rodena, die nicht darauf vorbereitet war, rutschte aus dem Sattel.
Unsanft landete sie im Morast, blieb einen Moment lang liegen und glaubte, nun sei alles vorbei. Doch gleich darauf stellte sie fest, dass sie unverletzt war, und sie kroch auf allen vieren dicht an den Kiefernstamm, um sich dahinter zu verbergen. Keinen Augenblick zu früh, denn sie hörte einen anfeuernden Ruf, und gleich darauf flogen Reiter und Pferd in kühnem Sprung über das Hindernis.
Er war es, sie hatte seine Stimme deutlich erkannt. Ewan Turner war nicht bereit, seine Schutzbefohlene so einfach entkommen zu lassen. Jetzt jedoch hatte sie ihn überlistet, denn er verfolgte ein Pferd ohne Reiterin.
Sie wischte sich den Schlamm aus dem Gesicht und blinzelte gegen die Nebelsonne. Gleich neben ihr führte eine schmale Landzunge in den See hinein und erweiterte sich zu einer lang gezogenen Halbinsel, auf der zwischen krüppeligen Kiefern auch die Reste einer Hütte zu sehen waren. Kurz entschlossen erhob sie sich, raffte das nasse Kleid und lief über Stock und Stein, um dieses Versteck zu gewinnen.
Es war kein leichter Weg, denn sie versank immer wieder bis zu den Knien im Morast, stach sich an totem, von der Sonne ausgebleichtem Geäst und war froh, hin und wieder auf einem bemoosten Stein festen Halt zu finden. Als sie endlich völlig atemlos die ersten Bäume der Halbinsel erreichte, hatte sie beide Schuhe eingebüßt, und ihr Herz hämmerte so wild, dass sie glaubte, helle Funken vor den Augen zu sehen. Geduckt schlich sie bis zu der kleinen Hütte, die aus Stein gebaut und ohne Dach war, und als sie vorsichtig durch die Türöffnung spähte, stellte sie fest, dass im Inneren Gestrüpp wucherte. Doch es gab kein Zögern, denn schon waren wieder Pferdehufe zu hören – Ewan hatte seinen Irrtum bemerkt und war zurückgekehrt.
Ein kleines Tier huschte davon, als sie sich ins Gestrüpp hockte, und sie betete inständig, dass es keine Ratte war. Dann verharrte sie mit klopfendem Herzen und hoffte, dass Ewan sie drüben im Uferwald suchen und sich entfernen würde.
Es wurde still um sie, nur hin und wieder raschelte es leise zwischen den Gräsern, ein leichter Wind bewegte knarrend einen
Weitere Kostenlose Bücher