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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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erzählt?« fragte der alte Lord. »Dieser verfluchte Kerl. Wo ist er?«
    »Sie hat es ihm erzählt. Er ist unterwegs, um Wildbret für Euch zu jagen, Mylord. Ich weiß nicht, ob er schon zurück ist.«
    »Er ist fort, ohne es mir zu sagen?« fragte der alte Lord, und sein Gesicht verdüsterte sich. »Er schwängert das zänkische Weib und geht, ohne es mir zu sagen?«
    Alys schwieg, die Hände im Schoß verschränkt, die Augen niedergeschlagen.
    »Ha!« sagte Lord Hugh. »War wohl nicht sehr erfreut, was?«
    Alys sagte nichts.
    »Sie hat es ihm heute früh erzählt, und er ist sofort danach ausgeritten?« wollte Lord Hugh wissen.
    Alys nickte.
    »Wutentbrannt, kann ich mir denken. Er hat mit der Annullierung gerechnet. Er wird wissen, daß das jetzt nicht mehr möglich ist.«
    Das Feuer knisterte. Der alte Lord grübelte schweigend.
    »Die Familie geht vor«, sagte er schließlich. »Die Pflicht geht vor. Er kann sich anderweitig vergnügen — wie er es schon immer getan hat. Aber jetzt, wo seine Frau schwanger ist, ist sie auf ewig seine Frau. Das Kind ist gesund — was meinst du?«
    »Dafür ist es jetzt noch zu früh«, sagte Alys. Ihre Lippen waren eisig, und die Worte waren schwer auszusprechen. »Königin Anne selbst könnte Euch sagen, daß viele Kinder noch vor der Geburt sterben. Aber soweit ich es beurteilen kann, ist das Kind gesund.«
    »Und es ist ein Knabe?« drängte sie der alte Mann.
    Alys nickte.
    »Das ist gut!« sagte er. »Sehr gut. Königin Anne hin oder her! So nah waren wir noch nie daran, einen Erben zu kriegen. Sag Catherine, sie soll sich heute abend etwas Hübsches anziehen. Ich werde vor allen auf ihre Gesundheit trinken. Sie kann in mein Gemach kommen, sobald sie angezogen ist. Ich möchte ein Glas mit ihr trinken.«
    Alys nickte. »Und ich, Mylord?« fragte sie. »Die anderen Briefe?«
    Lord Hugh winkte ab. »Du kannst gehn. Ich brauche dich jetzt nicht.«
    Alys erhob sich, machte einen Knicks und ging zur Tür.
    »Warte«, sagte er plötzlich.
    Alys blieb stehen.
    »Wirf diese Briefe vom Bischof ins Feuer«, befahl er. »Wir wollen nicht riskieren, daß Catherine sie sieht. Das würde sie aufregen. Aufregung könnte riskant für sie sein. Verbrenn sie, Alys, jetzt wird es keine Annullierung geben!«
    Alys ging zum Tisch und sammelte den dicken Packen Papier ein, schob ihn ins Feuer und sah zu, wie die Seiten schwarz wurden und zerfielen. Sie merkte, daß sie ins Feuer starrte, mit leerem, grimmigem Gesicht.
    »Du kannst gehen«, sagte der alte Lord leise.
    Alys machte einen Knicks, ging aus dem Raum und schloß leise die Tür hinter sich. David, der Zwerg, kam gerade die Treppe herauf. Sein spitzes kleines Gesicht war voller Neugier.
    »Du siehst schlecht aus, Alys«, sagte er. »Bist du krank? Oder ist dein Herz gebrochen? Was hat die alte Frau im Frauengemach zu suchen? Freust du dich nicht, daß deine Verwandte deinen Platz einnimmt?«
    Alys wandte sich ab und stieg, ohne zu antworten, die Treppe hinunter.
    »Ist es wahr?« rief David ihr nach. »Ist es wahr, was sich die Frauen zuflüstern? Lady Catherine ist in guter Hoffnung, Hugo ist in sie verliebt, und sie steht wieder hoch in der Gunst des alten Lords?«
    Alys blieb auf der Treppe stehen und schaute hinauf, ihr blasses Gesicht schimmerte im Dämmerlicht. »Ja«, sagte sie schlicht. »Alle meine Wünsche sind erfüllt worden. Was für ein Segen.«
    »Amen«, sagte David mit spöttischer Miene. »Und du bist außer dir vor Freude!«
    »Ja«, sagte Alys säuerlich und ging nach unten.
    Hugo kam spät von der Jagd zurück und erschien erst am hohen Tisch, als bereits der Fleischgang aufgetragen war. Er entschuldigte sich artig bei seinem Vater und küßte Catherine die Hand. Sie hätten viel Spaß gehabt, erzählte er. Neun Böcke hätten sie erlegt. Sie würden jetzt in der Fleischkammer hängen, und die Geweihe würde man Lord Hugh zur Begutachtung bringen. Aus den Häuten, gegerbt, parfümiert und weich, würde man eine Wiege machen, eine neue Wiege für den neuen Lord Hugo.
    Er schaute kein einziges Mal zu Alys. Sie hatte den Kopf über den Teller gebeugt und aß wenig. Um sie herum schwappte und ebbte das Geschwätz aufgeregter Frauen wie die unruhige See. Morach war auch still — aß sich entschlossen und konzentriert durch alle Gänge.
    Nachdem das Nachtmahl beendet war, kamen Hugo und der alte Lord in die Damengemächer, und die Damen sangen für sie. Catherine nähte, während sie sich unterhielten. Ihr Gesicht war

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