Die weise Frau
sich schnell auf, und Hugo gesellte sich zu ihnen ins Frauengemach.
»Mein Rücken tut wieder weh«, sagte Catherine mit schwacher Stimme, und Alys beobachtete, wie sie sich auf Hugo stützte und langsam zu ihrem Schlafgemach ging. Alys' scharfem Blick entging nicht, wie Hugo den Arm um die Taille seiner Frau legte, als sich die Tür schloß. Alys wartete darauf, daß er ihr gute Nacht sagen würde und dann wieder herauskäme. Doch die Tür blieb geschlossen. Alys spürte, wie Morachs spöttische schwarze Augen sie angrinsten. Aus Catherines Schlafgemach war nichts zu hören.
»Ja, auf einmal ist er sehr zärtlich«, sagte Eliza kaum verständlich, da sie ein Stück Seidengarn im Mund hatte. »Jetzt, da sie schwanger ist, wird's keine Schläge und Flüche mehr geben.«
Alys schaute wieder zur Tür. Sie blieb geschlossen. »Jetzt muß er sie bei guter Laune halten«, sagte sie widerwillig. »Er muß einen Erben haben, Catherine hat jetzt das Sagen — zumindest in den ersten Monaten.«
Morach räusperte sich und spuckte ins Feuer. »Er mag es«, sagte sie verächtlich. »Sie wird ihm schmecken, wenn sie einen dicken Bauch bekommt. Der Gedanke, daß da ein Baby in ihrem Leib wächst, wird ihm gefallen. Und er wird es mögen, wenn ihre Brüste fester werden und ihr Körper üppiger. Männer sind doch selbst Kinder. Er wird an ihren Brüsten nuckeln und sich auf ihren runden Bauch rollen, als wäre er selbst ein neugeborener Säugling. Jetzt im Moment ist er kein Mann mehr, sondern nur noch ein kleiner Junge mit einem neuen Spielzeug.«
Eliza kicherte. Die Damen nähten schweigend weiter, aber jede verrenkte sich fast den Hals, um zu hören, was im Zimmer nebenan vorging.
Die Tür ging auf. »Mylady ist müde«, sagte Hugo. Er wandte sich an Morach. »Du oder Alys, braut ihr eine Tisane, damit sie einschlafen kann. Sie braucht Ruhe.«
Morach nickte Alys zu. Hugo lächelte sie an, mit seinem offenen, liebevollen Lächeln. »Danke, Alys«, sagte er freundlich. »Du kannst sie hereinbringen, wenn sie fertig ist.« Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging zurück zu seiner Frau.
Als die Tisane fertig war, gab Alys sie Ruth, damit sie sie Catherine brachte. Sie wartete am Feuer, um zu sehen, ob Hugo wieder herauskam. Er tat es nicht. In dieser Nacht, zum ersten Mal in ihrer langen, lieblosen Ehe, blieb er die ganze Nacht im Bett seiner Frau. Zum ersten Mal in ihrem Leben schlief Catherine mit dem Kopf auf der Schulter ihres Mannes.
Alys saß mit den anderen am Kamin und nähte. Als sie zu Bett ging, Morachs warmen massigen Körper neben sich, konnte sie nicht einschlafen. Sie beobachtete, wie das schmale Stück silbrigen Mondlichts von einem Ende der Kammer zum anderen wanderte, während der Mond über den Himmel zog. Alys lag auf dem Rücken, mit offenen Augen, blind, mit leerem Kopf. Sie ließ die Eifersucht von sich Besitz ergreifen wie ein Anfall tödlichen Schüttelfrosts, krank bis ins Herz.
Sogar das Wetter selbst war gegen sie, hielt sie im Schloß gefangen. Es war ein wilder März mit Gewittern, gewaltigen Schneeverwehungen, die die Türen blockierten, durch die Fenster auf der Westseite drangen und Pfützen auf dem Steinboden hinterließen. Der Himmel hing noch tiefer als sonst, und es war jeden Nachmittag dunkel. Die Burg schien in sich selbst zusammenzuschrumpfen, belagert vom Winter.
Alys war keine Minute alleine. Nachts teilte Morach das Bett mit ihr, Lady Catherine befahl ihr oft, in der Damengalerie zu bleiben, und der alte Lord gewöhnte sich an, nachmittags bei ihnen zu sitzen, so daß Alys nicht in sein Gemach im runden Turm fliehen konnte. Hugo ritt jeden Tag aus, drehte immer größere Runden, rastlos wie ein Falke in der Mauser. Sie hörten Geschichten von seinen Abenteuern: von einem Gasthaus, das ein Unterschlupf für Wilderer war, das er niedergebrannt hatte, nachdem er die Frauen und Männer auf das schneeverwehte Moor getrieben hatte, von einer Schlacht mit einigen Bettlern auf der Landstraße, von einem kleinen Aufruhr in einem Hurenhaus mit Mummenschanz und Maskerade und von Wollust auf den Straßen.
»Ein echter Schurke ist das!« sagte der alte Lord stolz, als er von Hugos Gewalttaten hörte.
Alys versuchte nicht, Hugo zu sehen, und er ließ sie auch nicht rufen. Ein tiefer Abgrund des Schweigens hatte sich zwischen ihnen aufgetan. Sie lauerte ihm nicht an der Treppe auf und versuchte auch nicht, seinen Blick zu erhaschen, wenn er bei Catherine und ihren Damen saß. Alys
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