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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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an sich, und die Kälte in ihrem Leib schmolz in einer Woge von Leidenschaft. »Dich«, sagte sie noch einmal.
    »Wir werden schon irgendeinen Weg finden«, sagte Hugo mit zärtlicher Stimme. »Hab keine Angst, Alys. Wir werden Möglichkeiten finden, zusammenzusein. Gräme dich nicht.«
    Alys, warm und sicher in seinem Umhang, legte ihren Kopf an seine Schulter und sagte: »Wenn sie sterben würde...«
    Hugo erstarrte.
    »Wenn sie sterben würde...«, sagte Alys noch einmal.
    Er schob sie ein Stück weg von sich und musterte ihr Gesicht, ihre unschuldigen blauen Augen. »Es wäre eine Tragödie«, sagte er streng. »Glaube nicht, daß ich diese Möglichkeit, ihr zu entkommen, begrüßen würde, Alys. Mach nicht den Fehler zu glauben, daß ich das gestatten würde. Zugegeben, der Gedanke ist mir nicht fremd. Ich habe mir ihren Tod oft gewünscht. Aber ich würde es nie tun, Alys. Und der Mann oder die Frau, die Catherine Leid zufügt, wäre mein Feind fürs Leben. Ich habe sie gehaßt — aber sie ist meine Frau. Sie ist Lady Catherine von Castleton. Ich bin ihr meinen Schutz schuldig. Ich befehle dir hiermit ausdrücklich, daß du sie so glücklich und gesund bewahrst, wie es in deiner Macht steht. Sie ist eine Frau wie du, Alys. Voller Sehnsucht und Leidenschaft wie du, wie alle. Sie mag vielleicht gierig sein, und sie und ich mögen auf alle möglichen perversen Arten miteinander schlafen. Aber sie ist keine schlechte Frau. Sie hat den Tod nicht verdient. Ich will das nicht einmal denken. Und sie vertraut auf deine Pflege.«
    Alys nickte.
    »Schwörst du, sie zu schützen?« fragte Hugo.
    Alys begegnete seinem durchdringenden Blick. »Ich schwöre es«, sagte sie. Der beißende Geschmack des Meineids erfüllte ihren Mund.
    »Ich muß gehen«, sagte Hugo. »Sie warten sicher schon auf mich. Komm morgen in den Stall, Alys, mein Pferd ist krank, du kannst es dir anschauen, und wir können zusammensein.« Er küßte sie hastig sanft auf den Mund, dann wandte er sich ab und war fort. Sie hörte die Tür zuschlagen, als er ins Haus ging und sie allein im Garten ließ.
    »Wenn sie sterben würde...«, sagte Alys leise in den mondbeschienenen Garten der eisigen Nacht. »Wenn sie sterben würde, würde er mich heiraten.«

14
    Am nächsten Tag hatte Alys erst mittags Gelegenheit, in den Stall zu entkommen. Lady Catherine klagte über Rückenschmerzen und befahl Alys, sie mit Öl und Essenzen einzureiben. Alys bearbeitete den breiten, massigen Rücken mit wachsender Ungeduld. Lady Catherine lag genüßlich seufzend auf dem Bauch und ließ sie nicht weg. Alys' Hände waren hart und lieblos auf dem Fleisch der Frau, bar jeden Heilzaubers. Sie mußte sich mit Gewalt zusammennehmen, um sie nicht zu zwicken. Nachdem sie mit dem Einreiben fertig war, war Catherines glatter weißer Rücken von roten Streifen überzogen.
    »Das war gut, Alys«, sagte sie in einem der raren Momente der Zufriedenheit.
    Alys machte einen Knicks, sammelte die Öle in ihren Korb und eilte aus dem Zimmer. Sie warf Morach den Korb zu und rannte zur Treppe, hastete die Steinstufen hinunter, durch die Halle, aus der Küche, zu den Ställen.
    Vergeblich. Hugo war gegangen. Der einfältige Knabe, der die Pferde versorgte, grinste sie stumm an.
    »Wo ist der junge Lord?« fragte sie barsch. »War er hier?«
    »Fort«, sagte der Junge. »Lange fort.«
    Alys erschauderte und schnippte die Finger im Schutz ihrer Ärmel, um die Schatten des Aberglaubens zu vertreiben.
    »Schon ewig fort«, sagte der Junge noch einmal.
    Alys drehte um und ging zur Burg zurück. Der Stall von Hugos Lieblingspferd war leer, er hatte kaum einen Augenblick auf sie gewartet. Schmerz, Ärger und Enttäuschung darüber packten sie. Wenn sie auf ihn gewartet hätte, wäre sie wohl den ganzen Tag sinnlos dort herumgesessen.
    Mittags sah sie ihn beim Essen. Er grinste schuldbewußt und zwinkerte ihr zu, aber sie wechselten kein Wort miteinander. Im sterbenden Licht des Nachmittags nahm er sein Pferd und seine großen Jagdhunde und ritt ins weite Tal hinunter und schnell vorbei am Fluß, der Hochwasser hatte, und sie sah ihn nicht mehr bis zum Abendessen. Alys saß mit den anderen Damen an ihrem kleinen Tisch und beobachtete Hugos Nacken, wo sich sein dunkles Haar kräuselte. Sie stellte sich vor, wie sich das seidige Haar anfassen würde und wie es wäre, seinen Nacken mit einer Hand zu packen. Am liebsten hätte sie ihn gepackt und vor Begierde geschüttelt und auch vor Wut. Die Tafel löste

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