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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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habe ich vor der Abtei auf dich gewartet wie ein geprügelter Hund.«
    Sein Blick richtete sich auf Alys' aufmerksames Gesicht. »Und jetzt, wo du aus der Abtei raus bist, hat sich alles wieder geändert«, sagte er zögernd. »Die Schergen des Königs haben behauptet, ihr wärt gar keine echten Nonnen gewesen, und der Kaplan des Lords meint, daß Hugo gut daran getan hätte, euch zu vertreiben. Die Abtei ist zerstört, du bist wieder eine freie Frau, Alys.« Er wagte nicht, sie anzusehen, sondern starrte auf den Boden unter seinen Füßen. »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben«, sagte er. »Wirst du jetzt meine Geliebte?«
    Alys schüttelte instinktiv angewidert den Kopf. »Nein!« sagte sie. »Mein Gelübde steht noch. So darfst du nicht von mir denken, Tom. Ich gehöre Gott.«
    Sie hielt inne, sah ihn von der Seite an. Es war ein schwieriger Weg, den sie da finden mußte. Sie mußte ihn in Versuchung führen, ihr zu helfen, aber ohne mit der Sünde zu locken. »Ich wünschte, du würdest mir helfen«, sagte sie vorsichtig. »Wenn du Geld hast oder ein Pferd, das ich mir leihen könnte, könnte ich eine Abtei suchen, die mich vielleicht aufnimmt. Ich habe gehofft, du weißt vielleicht wo oder kannst mir einen Ort suchen, an den ich gehen kann?«
    Tom stand auf. »Das kann ich nicht«, sagte er schlicht. »Die Farm wirft nichts ab, wir haben nur ein Arbeitspferd und kein Geld. Gott ist mein Zeuge, daß ich alles für dich tun würde, Alys, aber ich habe weder Geld noch ein Pferd für dich.«
    Alys' blasses Gesicht war heiter, obwohl sie innerlich schrie. »Vielleicht fällt dir etwas ein«, sagte sie. »Ich zähle auf dich, Tom. Ohne deine Hilfe weiß ich nicht, was aus mir werden wird.«
    »Du warst schon immer diejenige, die das Denken übernommen hat«, erinnerte er sie. »Ich bin bloß zu dir gekommen, wie ein Hund, der die Pfeife seines Herrn hört. In dem Moment, als ich gehört habe, daß die Abtei brennt, habe ich an dich gedacht. Dann habe ich gehört, daß Morach ein neues Mädchen hat, und vermutet, daß das du bist. Ich bin einfach zu dir gelaufen.«
    Alys erhob sich ebenfalls und stellte sich dicht neben ihn. Sie roch den Schweiß von Tagen, den Gestank getrockneten Blutes vom Schlachten und saure Milch. Er roch wie ein armer Mann, wie ein alter Mann. Sie wich zurück.
    Tom legte eine Hand auf ihren Arm, und Alys erstarrte, zwang sich, ihn nicht abzuschütteln. Er starrte ihr Gesicht an. Alys' dunkelblaue Augen, offen wie die eines Kindes, erwiderten seinen Blick.
    »Du willst mich nicht als Mann«, sagte er in plötzlicher Einsicht. »Du wolltest mich sehen, und deine Worte sind süß, aber du willst nur, daß ich dich davor rette, mit Morach zu leben, so wie dich deine Äbtissin vor ihr gerettet hat.«
    »Warum nicht?« fragte Alys. »Ich kann nicht hier leben. Morach steckt bis zum Hals in Sünde und Schmutz. Ich kann nicht hier bleiben! Ich will dich nicht als Mann, mein Gelübde und meine Neigungen lassen es nicht zu. Aber ich brauche dich unbedingt als Freund, Tom. Ohne deine Hilfe weiß ich nicht mehr, was ich tun soll. Wir haben versprochen, einander treu zu sein und immer für den anderen dazusein.« Sie drehte die Daumenschrauben fester. »Ich hätte dir geholfen, wenn du in Not wärst, Tom. Wenn ich ein Pferd hätte, müßtest du keinen Schritt zu Fuß gehn.«
    Tom schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann nicht mehr klar denken!« sagte er. »Alys, sag mir einfach, was du von mir willst! Du weißt, daß ich es tun werde. Du weißt, daß ich immer getan habe, was du wolltest.«
    »Finde einen Ort, an den ich gehen kann«, sagte sie hastig. »Morach erfährt nichts, und ich traue mich nicht, weiter zu gehen als nach Castleton. Aber du kannst reisen und Leute fragen. Finde für mich ein Nonnenkloster, das sicher ist, und dann bringe mich dort hin. Lord Hugo kann seinen Zorn nicht am ganzen Norden auslassen. Es muß noch andere Abteien geben, die vor seiner Bosheit sicher sind: Hartlepool, Durham oder Whitby.«
    »Du hoffst nicht mehr darauf, deine alte Äbtissin wiederzufinden?« fragte Tom.
    Alys schüttelte den Kopf. Sie erinnerte sich an die Hitze im Rauch, die sie gewarnt hatte, wie nah die Flammen waren. Sie erinnerte sich an den durchdringenden Schrei, den sie gehört hatte, als sie durch die Gartentür stürzte. »Ich werde einen neuen Orden finden und einen neuen Namen annehmen und noch einmal mein Gelübde ablegen«, sagte sie.
    Tom blinzelte. »Darfst du das denn?« fragte er.

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