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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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lockerte die Zügel, und das Pferd galoppierte schneller. »Mein Vater wird froh sein«, sagte Hugo sehr laut, um sich in Wind und Regen verständlich zu machen. »Seine Huren hatten ein Heer von Söhnen — aber seine eigene Frau nur diesen einen.«
    »Und welche hat ihn am meisten geliebt, und welche hat er am meisten geliebt?« fragte Alys herausfordernd.
    Hugos breite Schultern hoben sich. »Das spielt überhaupt keine Rolle«, sagte er abweisend. »Liebe ist nichts für uns. Land, Erben, Vermögen — diese Dinge sind wichtig für Lords, Alys. Die Armen können ihre Lieben und Leidenschaften haben. Uns interessieren gewichtigere Dinge.«
    Alys lehnte sich zurück und legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Eines Tages wirst du genauso leidenschaftlich lieben wie ein Bauer«, sagte sie leise. »Eines Tages wirst du verrückt nach Liebe sein. Und dafür wirst du dich demütigen.«
    Hugo lachte. »Das bezweifle ich.«
    Sie ritten schweigend weiter. Alys wog die Schwangerschaftslüge ab, die ihre Sicherheit garantieren sollte, gleichgültig, was irgendeiner in der Burg gegen sie oder gegen Morach vorbrachte.
    Solange er glaubte, sie würde sein Kind unter dem Herzen tragen, würde er sein Leben opfern, um sie zu schützen. Aber sobald die Lüge ans Licht kam...
    Alys schüttelte den Kopf. Mehr als einen Zug konnte sie nicht vorausplanen. Sie mußte auf ihre Träume von sich im Garten in Catherines rosaweißem Kleid vertrauen. Der Regen klatschte ihr ins Gesicht, und grollender Donner kam von den Bergen näher.
    Plötzlich sah Alys Morach vor sich, wie sie den Geräuschen des Sturms in der dunklen Höhle lauschte, mit dem Kopf an die steinerne Decke gedrückt, bis zu den Knien im tosenden, rauschenden Wasser. Sie blinzelte. Einen Augenblick lang spürte sie selbst den harten unnachgiebigen Stein in ihrem Nacken. Das Wasser, in dem sie stand, war eiskalt, voller Strudel, ein ständig zunehmender Sturzbach, der unaufhaltsam an ihren Röcken zerrte. Treibholz prallte gegen sie. Sie stolperte und fiel ins Wasser, sprang wieder auf, durchnäßt und zitternd.
    Inzwischen war es fast schon zu spät, hinauszukriechen und sich den Männern zu stellen.
    Mit blutigen Händen hämmerte sie gegen die Höhlenwand, und dann griff sie plötzlich in einen Hohlraum, wo der Fluß sich einen Weg nach oben peitschte. Wie eine Blinde streckte sie die Arme aus, paddelte durch die rasche Strömung, voller Sehnsucht nach der kalten Berührung mit Luft. Dann streiften ihre Knöchel die Decke der Höhle, die Rettung verhieß.
    Es war zu spät. Das schmale Loch, das aus der Höhle führte, war bereits bis oben hin mit rauschendem Wasser gefüllt. Ihr blieb nur noch eine kleine Luftblase, und als sie ihr Gesicht nach oben drehte, um zu atmen, ergoß sich eine weitere Woge in die Höhle. Ihr Kleid war von Wasser getränkt. Die Strömung zerrte und zog an ihr, bis sie den Halt verlor und stürzte. Der Lebenswille schleuderte sie noch einmal nach oben. Mit Gewalt krachte ihr Kopf gegen die Decke. Alys stöhnte.
    »Was ist denn los?« Hugos Stimme holte sie zurück in die Gegenwart, zurück zu ihrem gefährlichen Spiel, seinem tröstlichen Arm, der sie sicher umfing. »Hast du etwas gesagt?«
    »Nichts«, sagte Alys rasch.
    Ein riesiger dunkler Regenvorhang breitete sich über das Tal und verhüllte alle Berge um sie herum. »Der Fluß ist gestiegen«, sagte Hugo zufrieden. »Die Hexe ist ertrunken.« Er schüttelte sich das Wasser aus den Augen und spornte sein Pferd zum Galopp an. »Nichts wie heim«, sagte er.
    Natürlich konnte der Klatsch über Morachs plötzliches Verschwinden nicht verhindert werden. Zu viele wußten, daß Alys mit Morach ausgeritten war, und hatten gesehen, wie nur sie mit Hugo zurückkehrte. William hatte nichts gesehen, aber die anderen Jäger waren Zeugen der Geschehnisse und würden nicht ewig schweigen. Aber Catherine durfte nichts von all dem erfahren. Hugo versammelte die Damen in der Galerie, während Catherine vor dem Abendessen schlief, und sagte ihnen, wenn er ein Wort — auch nur ein einziges unangebrachtes Wort — über Morach in Catherines Beisein hörte, würde er die betreffende Frau verprügeln und im Hemd aus dem Schloß jagen.
    Die Damen machten große Augen und flüsterten untereinander.
    »Sie ist ertrunken«, sagte Hugo ohne Beschönigung. »Ich habe sie mit meinen eigenen Augen in den Fluß fallen und ertrinken sehen. Und derjenige, der das bestreitet, nennt mich einen Lügner.« Seine Hand berührte

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