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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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auf sie zuströmen, und dann wird sie den Sog der Strömung um ihre Knöchel fühlen. Das Wasser steigt unaufhaltsam. Sie wird versuchen rauszukommen, vielleicht will sie hochklettern, aber ihr Kopf wird das steinerne Dach der Höhle berühren, und das Wasser wird steigen, immer höher und höher, bis es ihr ins Gesicht spritzt und sie sich nirgends mehr verstecken kann.«
    Hugo war blaß geworden. »Wir ertränken sie unter der Erde.« Alys’ Gesicht war hohl vor Entsetzen. Ihre Stimme verriet ihre kopflose Verzweiflung. »Schau«, sagte sie und zeigte auf die Hochwasserlinie. Wie ein Band zog sie sich das Flußufer entlang, einen guten Meter über dem Eingang der Höhle. »Da wird nichts mehr rausschwimmen«, sagte Alys und lachte und lachte. »Bewach den Eingang, und der Sturm wird die Arbeit für dich erledigen. Der Regen wird dein Folterknecht sein. Die unterirdischen Ströme des Flusses werden dein Henker sein. Morach ist tot! Gestorben, wie sie befürchtet hat zu sterben!«

19
    Eine endlose Minute lang war Totenstille, dann ertönte ein dumpfes Donnergrollen, und ein violettgelber Blitz zeichnete die Umrisse der westlichen Berge. Der Himmel darüber war grünlich gelb, und von Westen rollten schwarze Wolken heran.
    Hugo schaute hinauf zu Alys. Ihr Gesicht war vor Spannung häßlich verzerrt. Ihr Herz hämmerte. Sie hatte nur einen Gedanken: Überleben. Wie sollte sie der Anklage wegen Hexerei entkommen?
    »Weine nicht«, sagte Hugo. Er zog seinen Lederhandschuh aus und streckte die Hand aus, um ihr die Wange zu streicheln.
    »Ich hatte Angst«, sagte Alys. Als seine Hand ihr Gesicht berührte, drehte sie sich, bis seine Handfläche ihre Lippen streifte.
    »Angst vor was?« fragte Hugo leise. »Ich würde dir nie weh tun.«
    Alys schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie, »das weiß ich.«
    »Vor was hast du dich dann gefürchtet?« fragte Hugo.
    »Vor ihr.« Alys zeigte mit dem Kopf auf die Mündung der Höhle. »Sie hatte ein paar Puppen gemacht, sie hat behauptet, sie würden ihren Befehlen gehorchen. Sie hat gesagt, wenn sie die Puppen krank machen würde, würden auch die Menschen krank werden.«
    Hugo nickte. »Ich hab sie gesehen. Sie waren widerlich.«
    »Du hast sie gesehen«, fragte Alys hastig, »wie Morach den Beutel geöffnet und sie herausgeschüttelt hat? Sie hat mir erzählt, Sie würde Herrin der Burg werden und sich deinen Vater, dich und Lady Catherine untertan machen. Mit den Puppen.«
    Hugo sah Alys an, und sie merkte, wie die alte, abergläubische Angst über sein Gesicht huschte. »Das ist Unsinn«, sagte er, nicht sehr überzeugend. »Aber du hättest es mir sagen müssen.«
    »Wie sollte ich?« erwiderte Alys achselzuckend. »Ich seh dich jetzt nie mehr allein. Dein Vater ist zu alt und zu gebrechlich, um ihn mit so dunklen Ängsten zu schrecken, und Lady Catherine möchte ich nicht beunruhigen, nicht jetzt.«
    Hugo nickte. »Aber was wolltet ihr denn hier?« fragte er.
    »Sie hatte sich bereit erklärt, die Puppen in geweihtem Boden zu begraben, und der Magie abzuschwören. Aber sie wollte nicht alleine hierher. Sie hat mich gezwungen mitzukommen. Sie hat mich gezwungen, das Loch zu graben. Sie hat nicht gewagt, sich auf den geweihten Boden zu stellen, weil sie eine schwarze Hexe ist — im Bund mit dem Teufel — und ich das nicht bin.«
    Hugo nickte. »Du mußt furchtbare Angst gehabt haben.« Er legte seine warme Hand auf die ihre.
    Alys strahlte vor Freude über seine Berührung. »Jetzt habe ich vor nichts mehr Angst«, sagte sie. »Und ich habe meine Macht, meine weiße Macht, gute Macht, die dir und dem Dienst an deiner Familie gewidmet ist. Ich habe meine Kraft für euch eingesetzt, um euch alle zu beschützen.«
    Hugo stellte einen Fuß in den Bügel und schwang sich hinter Alys in den Sattel. »Kommt«, sagte er über die Schultern zu seinen Männern. »Wir reiten nach Hause. Ich muß mit Mylord und Pater Stephen über die Angelegenheit reden. Alan, du versperrst das Loch mit Steinen, mit den größten Felsbrocken, die du tragen kannst, und wartest hier mit Peter, bis das Wasser steigt und sie zudeckt. Du kannst die Hunde hierbehalten.«
    Die Männer nickten. »Bei eurer Liebe zu mir...«, sagte er. »Kein Wort davon zu irgend jemandem. Wenn ihr mir nach Newcastle folgen wollt, auf meine Reisen oder nach London — kein Wort. Wir erzählen allen, daß die Frau in den Fluß gefallen und ertrunken ist.«
    Die jungen Männer nickten mit ernsten Mienen.
    »Wenn ihr Geschichten

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