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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Wasser? Erde? Oder Luft? Und was ist mit dir? Wird es die Burg sein oder ein verstecktes Haus in der Stadt — ein Hurenhaus, bis auf den Namen?«
    Alys machte wütend einen Schritt auf ihn zu, dann drehte sie sich um und schaute nach oben. Ihr Gesicht funkelte vor Bosheit. »Du wirst Lady Alys zu mir sagen«, zischte sie. Der Zwerg wich erschrocken zurück. »Du wirst Lady Alys zu mir sagen — und ich werde dir ›Lebewohl‹ sagen. Denn ich werde Hugos angetrautes Weib. Und du wirst ein Bettler an meinem Tor sein.«
    Sie drehte sich um und eilte die Treppe mit wehendem Gewand hinunter, ohne sich umzusehen. David blieb auf der Treppe stehen und lauschte ihren Schritten auf der steinernen Wendeltreppe.
    »Das bezweifle ich«, sagte er zu den kalten Steinmauern. »Das bezweifle ich sehr.«
    Der Verlust Morachs brach Catherine das Herz. Als sie erfuhr, was geschehen war, klammerte sie sich schluchzend an Alys. Alys nahm sie in den Arm, und sie umschlangen sich wie zwei Waisenkinder.
    »Du mußt jetzt bei mir bleiben«, sagte sie. Sie konnte vor Schluchzen kaum reden. »Du hast ihre Kräfte, du warst da, um mir zu helfen, als ich fast ertrunken bin, als ich fast mein Leben verloren habe. Du bist ihre Tochter, ich habe euch beide geliebt. Ach, Alys! Sie wird mir fehlen.«
    »Mir wird sie auch fehlen«, sagte Alys. Ihre blauen Augen schwammen vor ungeweinten, überzeugenden Tränen. »Sie hat mich alles gelehrt, was sie wußte, mir all ihre Künste beigebracht. So als hätte sie mir Eure Pflege anvertraut, bevor sie uns verlassen hat.«
    Catherine sah voller Vertrauen zu ihr auf. » Glaubst du, sie hat es gewußt?« fragte sie. »Glaubst du, sie hat in ihrer Weisheit die ganze Zeit gewußt, daß sie uns verlassen wird?«
    Alys nickte. »Sie hat mir erzählt, sie hätte eine Finsternis gesehen. Ich glaube, sie wußte es. Als sie Euch aus dem Fluß holte, wußte sie wohl schon, daß das seinen Preis fordern würde. Und jetzt hat sie der Fluß geholt.« Catherines Gejammer wurde noch lauter. »Dann ist sie gestorben, um mich zu retten!« rief sie. »Sie hat ihr Leben für mich geopfert!«
    Alys glättete mit scheinheiliger Hand Catherines Haar. »Sie hätte es so gewollt. Sie und ich haben mit Freuden dieses Opfer gebracht. Ich habe meine Mutter für Euch verloren, und ich«, ihre Stimme zitterte erbärmlich, »ich werde es nicht bereuen.«
    Catherine schluchzte hemmungslos. »Alys, meine Freundin! Meine einzige Freundin!«
    Alys wiegte sie sanft hin und her, sah hinunter in das aufgedunsene verheulte Gesicht. »Arme Catherine«, sagte sie. »In welch furchtbarem Zustand Ihr doch seid!«
    Alys rief nach den Frauen. Ruth kam sofort.
    »Laßt Hugo holen«, befahl sie. »Catherine braucht ihn.«
    Er kam sofort und wich erschrocken zurück, als Catherine, heftig schluchzend, mit einem Jammerschrei die Arme nach ihm ausstreckte. Er fiel auf die Knie vor ihrem Stuhl und umarmte sie.
    »Still, still«, flüsterte er ihr zärtlich ins Haar. Er schaute Alys an. »Kannst du ihr denn nicht etwas geben? Etwas, das sie beruhigt. Es kann doch nicht gut sein für das Kind, wenn sie sich so aufregt.«
    »Sie muß sich selbst beruhigen«, sagte Alys kühl.
    Catherine schluchzte laut und klammerte sich fester an Hugo. »Sie hat mich zum Lachen gebracht. Sie hat alles so hingestellt, als wäre es ein Witz. Sie hat mir Sachen über das Leben erzählt, über die ich lachen mußte, bis mir die Tränen kamen. Ich kann nicht glauben, daß sie jetzt nicht hereinkommt und uns ins Gesicht lacht.«
    Alys schielte kurz zur Tür. Der Gobelin bauschte sich. Einen Augenblick lang schien es nur zu wahrscheinlich, daß Morach hereinkommen würde, triefend, eisigen Flußtang hinter sich herschleifend, und ihnen mit ihrem blauen, ertrunkenen Mund ins Gesicht lachte.
    »Nein«, sagte Hugo hastig. »Das wird sie nicht tun. Sie ist ertrunken. Versuch, es nicht so schwer zu nehmen.« Er wandte sich Alys zu. »Du mußt doch etwas haben, das sie beruhigt.« »Ich kann ihr ein Destillat der Blume des Sterns von Bethlehem geben«, sagte Alys kühl. Sie ging in ihre Kammer. In der Wäschetruhe waren die kleinen Fläschchen und Puder und Kräuter, die sie und Morach gesammelt hatten. Auf dem Bett lag Morachs weißes Leinennachthemd. Im Luftzug der offenen Tür bauschte es sich kurz auf und hob sich ein Stück vom Bett, als würde es gleich aufstehen und auf sie zugehen. Alys starrte es eindringlich mehrere Minuten an. Die Arme bewegten sich leicht, als wollten sie

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