Die weise Frau
kein Tölpel vom Land, den man auf dem Jahrmarkt narrt. Es hat keinen Einfluß auf meine Liebe zu dir — also sag es mir. War es der Wein, den du mir gegeben hast? Oder irgendein Trick?«
Alys lachte. »Sag du es mir, Hugo«, sagte sie. »Du warst schon oft betrunken — warst du je trunken so lüstern? Hast du je meine Schwestern gesehen, wenn du betrunken oder nüchtern warst? Bist du je nach einem Rausch mit klarem Kopf erwacht, im Vollbesitz deiner Kräfte?«
Sie setzte alles auf die Macht der Erdwurz.
»Du weißt, was du gesehen hast. Du weißt, was du getan hast! War es eine Frau, oder waren es zwanzig? Hast du die Wonnen einer Frau genossen oder die von zwanzig? War ich es oder ich als Herrin deiner Träume oder all meine bösen, begehrenswerten Schwestern?«
Hugo nickte, lehnte sich zurück und schloß wieder die Augen. »Höchste Magie«, sagte er. »Ihr wart unendlich viele. Und du, Alys, die Herrin aller.«
Alys erhob sich lächelnd von ihrem Hocker und stellte sich vor ihn. »Ich bin die Herrin aller, ich bin im Vollbesitz meiner Macht. Und die Wonnen, die du mit uns erlebt hast, kann ich dir geben, wann immer du willst. Wann immer du darum bittest und ich einverstanden bin.«
Hugos Blick verdüsterte sich von den Resten der Droge und seiner Wollust. »Sie werden wiederkommen?« fragte er.
Alys lächelte. »Wann immer ich sie rufe«, sagte sie. »Meine Schwestern und ich — wir spielen gerne mit dir, Hugo.«
Hugo lächelte. »Alys, meine Geliebte.«
21
Während der ganzen nächsten Woche und der Woche danach war Catherine träge und müde. Morgens war ihr Kissen naß von Schweiß und Tränen. Nachts schlief sie schlecht, träumte von ihrer längst verstorbenen Mutter und ihrem Vater, den man wegen verräterischer Reden gegen den König angezeigt hatte und der dann, während er auf seinen Prozeß wartete, in den kalten Zellen des Gefängnisses von York gestorben war. Tagsüber trauerte sie um Morach, die einzige Freundin, die sie in all den Jahren gefunden hatte. Es war, als würde sie vor Trauer zerfließen.
Catherine, die ihre Damen immer tyrannisiert und ihre Diener immer schikaniert hatte, hörte auf, Befehle zu geben oder Ansprüche zu stellen. Alys hatte nichts zu tun, außer vormittags bis zum Essen bei Catherine zu sitzen und dann wieder nachmittags, während Hugo alleine ausritt. Catherine trank reichlich französischen Rotwein — der, wie Alys ihr versicherte, ihr Blut stärken würde, und aß mittags und abends wie ein trächtiges Schwein mit schamloser Fettsucht. Benommen und schläfrig vom Wein, rülpsend vom üppigen Essen und erschöpft von der Schwangerschaft, die jetzt in den fünften Monat ging, döste Catherine jeden Nachmittag nach dem Essen auf dem Bett und schlief nach dem Abendessen sofort ein. Wenn es Hugo wollte, konnten er und Alys den ganzen Nachmittag und den ganzen Abend zusammen sein, während seine Frau döste, und — nachdem sie in trunkenen Schlaf verfallen war — die ganze Nacht.
Hugo wollte tatsächlich. Die Erdwurz entfaltete fast jeden Tag ihren Zauber, und Alys entdeckte, daß er immer kleinere Dosen brauchte, um in seine Wachträume der Leidenschaft zu verfallen. Wenn er dann trüben Auges und mit schlaffen Muskeln wieder erwachte, erzählte er Alys immer, sie wäre seine große Liebe, seine einzige Liebe. Nach einem Monat halluzinatorischer Drogenrauschorgien schien es, als wäre er auf Alys genauso süchtig wie auf die Erdwurz. Sie brauchte keine Träume und Fantasien mehr zu spinnen — ihr Geruch, ihr Geschmack, die Wonnen, die ihr Körper ihm bereiteten, reichten, um ihn in fiebrige Lüsternheit zu versetzen. Alys hatte ihn im Netz seiner eigenen Begierden gefangen, und Hugo machte keinerlei Anstalten, sich zu befreien.
»Du hast ihn an der Angel, was?« fragte der alte Lord eines Morgens, als sie beobachtete, wie Hugo den Hof unter dem Fenster des Rundturmes überquerte.
»Mylord?« fragte sie, ohne sich umzusehen. Hugo zu beobachten erwärmte ihr Herz mit süßem Besitzerstolz. Hugo gehörte jetzt ihr, niemand anderes konnte ihn auch nur reizen. Seine hastigen und achtlosen Überfälle in dunklen Türnischen waren vorbei, alle Frauen im Schloß wußten das. Hugo war besessen von Alys. Die Einzige, die nichts davon wußte, war Catherine.
»An der Angel«, wiederholte der alte Lord. »Am Haken, im Kescher und gelandet. Strampelt er sehr im Netz, hübsche Alys? Oder ist er einer von den Steten — ein paar Stöße und alles ist vorbei?«
Alys
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