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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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seinem Ohr. »Das Kind wäre verkrüppelt gewesen«, sagte sie. »Es ist besser, daß es tot ist.«
    Der alte Lord sah aus, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen. »O Gott, nein!« sagte er. »Nein! Ein dreckiger Krüppel von meinem Blut! Und das nach so langen Jahren des Wartens!«
    »Kann sie noch ein Kind bekommen?« David drängte sich zu Alys. »Wie ist Eure Meinung, Mistress Alys? Wird Lady Catherine noch einmal empfangen können?«
    Alys begegnete seinem Blick. »Ich glaube nicht. Man sollte hierfür vielleicht einen Arzt hinzuziehen. Aber ich bin mir sicher. Sie kann kein normales Kind zur Welt bringen.«
    Der alte Lord ließ sich in einen Stuhl fallen, stützte sich mit beiden Händen auf seinen Stock und starrte ins Leere.
    »Das ist ein bitterer Schlag, Alys«, sagte er leise. »Ein bitterer Schlag. Catherines Kind ist tot und ihre Chancen auf ein anderes dahin. Alles an einem Nachmittag. Ein bitterer Schlag.«
    Catherines Tür öffnete sich, und Hugo kam aus dem Schlafgemach. Seine Miene war steinern, die Falte zwischen den Augenbrauen tief, der Mund grimmig. »Sie wird jetzt ruhen«, sagte er. »Jemand sollte bei ihr bleiben.«
    Eliza und Ruth knicksten und huschten in das Zimmer.
    »Sie hat gesagt, Ihr könnt sie besuchen, Sir«, sagte Hugo zu seinem Vater. »Sie will Euch um Euren Segen bitten.«
    »Verflucht soll er sein, der Segen«, sagte der alte Lord, rappelte sich aus dem Stuhl hoch und schlug mit dem Stock auf den Boden. »Ich will sie nicht sehen. Sie ist unfruchtbar, mein Sohn! Und sie hat mehr Jahre in diesem Schloß gelebt, als ich zählen will. Ich werde sie besuchen, wenn sie fruchtbar ist. Unfruchtbare Weiber braucht keiner! Dreiundzwanzig Bastarde hab ich meines Wissens gezeugt und drei rechtmäßige Kinder, einen Sohn. Meines Wissens habe ich keine unfruchtbare Frau je eines zweiten Blickes gewürdigt, und ich werde es auch in Zukunft nicht.«
    Er schnippte mit dem Finger einem Pagen zu, der die Tür öffnete, und stapfte dann darauf zu. Die Menschen in der Galerie machten ihm hastig den Weg frei, voller Angst vor seinem Zorn.
    »Du«, sagte er zu Alys. »Komm in mein Gemach. Ich habe zu arbeiten!« Dann, als Alys mit vorgeschobenem Bauch auf ihn zukam, stutzte er. »Nein«, sagte er. »Geh und ruh dich aus. Geh und setz dich und näh oder sing oder so etwas. Aber paß auf dich auf, Alys. David! Such ihr eine Zofe aus, die ihr zur Hand geht. Und sorg dafür, daß sie einen bequemen Stuhl in ihrem Zimmer hat. Sie muß sich ausruhen. Sie muß gesund bleiben. Sie trägt Hugos Kind unter dem Herzen. Und sorg dafür, daß sie kriegt, was sie gerne ißt. Besorg ihr alles, was sie will! Alles, was sie will, soll sie haben!«
    David verbeugte sich, sein scharfes Lächeln streifte Alys. »Ja, Mylord«, sagte er.
    Der alte Lord nickte. »Behüte sie«, sagte er. »Keine Ausritte mehr, Alys, du mußt im Schutz des Hauses bleiben.« Er sah kurz zu Hugo. »Laß sie nicht so fett werden wie die Andere«, sagte er. »Das war das Problem bei der. Halte sie wie eine gute Zuchtstute, gut gefüttert, aber nicht überfressen. Sie wird jeden Abend bei Tisch neben mir sitzen, damit ich sehen kann, was sie ißt.«
    Hugo nickte kühl. »Wie Ihr wünscht, Mylord. Ich werde mein Pferd ein bißchen bewegen. Meiner Seele ist übel von diesen Frauengeschichten.«
    Der alte Lord nickte. »Verdammt recht hast du«, sagte er gereizt. »All das Gerede und die Ausgaben und am Ende nur eine unfruchtbare Sau.«
    Die beiden verließen das Zimmer. Hugo polterte die Treppe hinunter und schrie nach seinem Pferd. Einer nach dem anderen verließen die Mägde und Diener, die Soldaten und die Pagen das Zimmer, Skandal, Verleumdung und böswillige Gerüchte flüsternd. Alys stand reglos in der Mitte des Raumes. Im Vorbeigehen machten alle einen steifen Knicks oder verbeugten sich vor ihr. Alys kam kein Lächeln über die Lippen, sie quittierte die Ehrfurchtsbezeugungen lediglich mit knappem Kopfnicken. Schließlich blieben Alys und David allein zurück.
    »Möchtet Ihr etwas für das heutige Abendessen bestellen, Mistress Alys?« fragte David gespielt unterwürfig.
    »Ich will nur das Beste«, sagte Alys schlicht. »Das Beste von allem, gleichgültig, was es gibt. Nur das Allerbeste.«

26
    In der Nacht wachte Catherine schreiend auf, und nur Alys konnte sie beruhigen. Sie schwitzte von ihren Alpträumen und hatte Fieber. Alys gab ihr eine kleine Dosis getrockneter Beeren vom Nachtschatten und hielt bei ihr Wache, bis sie

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