Die weise Frau
herunter und legte eine Hand auf die Rundung ihres Bauches. »Ihr seid albern«, sagte sie streng. »Albern und hysterisch. Kinder schmelzen nicht. Ich sehe, daß Ihr Schmerzen habt, und ich kann Euch helfen, sie zu ertragen. Aber ich kann kein Blut und auch kein Fruchtwasser entdecken. Euer Kind ist noch in Eurem Bauch, und es geht ihm gut. Kinder schmelzen nicht.«
Catherine stützte sich mit den Armen auf. Sie starrte Alys verzweifelt an, die Haare zerzaust, die Augen traten aus den Höhlen. »Ich sage dir, er schmilzt!« schrie sie. »Warum willst du nicht auf mich hören, du Närrin! Warum machst du nicht, was ich dir sage! Mach etwas, damit dem Kind nichts passiert! Er schmilzt! Ich fühle, wie er schmilzt! Er schmilzt in meinem Bauch und gleitet heraus!«
Alys schob Catherine zurück in die Kissen und hielt sie an den Schultern fest. »Still«, sagte sie grob. »Still. Das gibt es nicht, Catherine. Ihr irrt Euch. Ihr plappert unsinniges Zeug!«
Sie legte ihre Hand auf Catherines Bauch und zog sie sofort entsetzt wieder zurück. Catherine stöhnte erneut. »Ich hab's dir gesagt«, schluchzte sie.
Alys legte ihre Hand noch einmal auf den Bauch, sie konnte kaum fassen, was sie da gefühlt hatte. Unter ihrer Handfläche hatte sie deutlich gespürt, wie Catherines Bauch kleiner und flacher wurde. Etwas unter der dicken Schicht Fleisch hatte sich bewegt und geblubbert. Wieder stöhnte Catherine.
»Das Kind kommt raus«, sagte Catherine verzweifelt. Sie stöhnte wie ein verängstigtes Tier, gar nicht mehr wie eine Frau. »Ich kann ihn nicht halten.«
Alys zog Catherines Hemd hoch und schaute noch einmal zwischen die gespreizten Beine der Frau. Die cremig weiße Pfütze hatte sich über das Laken ausgedehnt. Alys würgte.
»Ich weiß nicht, was dieses Zeug ist. Ich weiß nicht, was ich tun soll«, murmelte sie.
Catherine hörte sie nicht einmal. Ihr Körper bäumte sich nach oben, und während ihr Bauch sich zur Decke bog, sah Alys, wie die runde Ausbuchtung sich wie Flußschleim verformte und zerfloß.
»Liegt still«, befahl Alys ratlos. »Liegt still, Catherine, dann passiert nichts.«
Während Catherine stöhnte, sah Alys, wie sich der Muttermund öffnete. Sie erhaschte einen Blick auf ein blasses Körperchen, und einen Augenblick lang regte sich die Hoffnung, das Kind könnte doch noch unbeschadet zur Welt kommen.
»Ich sehe ihn«, sagte sie. »Laßt ihn kommen, Catherine, laßt ihn kommen. Ihr seid bereit, ihn zur Welt zu bringen!«
Catherine preßte nach unten, ihre Bauchmuskeln kämpften darum, das Kind in die Welt zu befördern. Alys steckte ihre kleinen, geschickten Hände in den Muttermund und packte den winzigen Körper. Einen Augenblick lang konnte sie das Baby fühlen, klein, wohlgeformt, sie fühlte seine runden Pobacken und den kleinen Arm mit der geballten Faust. Er lag etwas schief. Alys lächelte trotz ihrer Konzentration und tastete sich nach oben an dem warmen, nassen Körper zum Kopf, um ihn nach draußen zu führen, den Kopf nach vorne zu bringen für seine kleine Reise. Seine Schulter faßte sich rund und glatt an. Alys' behutsame Hände umfaßten seinen gerundeten, harten Schädel und spürten die zarte Form seines Gesichts.
Catherine stöhnte wieder, als ihre Muskeln sich zusammenzogen. Alys entzog ihre Hände dem Zugriff der Muskeln und ließ sie dann wieder hineingleiten, um den kleinen Körper zu drehen und zu führen. Er drehte sich, er lag richtig, Kopf voraus in die Welt. Sie packte die beiden Seiten seines Schädels mit sanftem, festem Griff und zog ihn auf sich zu, aus dem schlüpfrigen, engen Kanal in Catherines Körper.
»Ja«, sagte sie. »Ich hab ihn sicher.«
Alys hatte vergessen, daß das ihre Rivalin war, daß das Hugos Erbe war, der ihre eigene Sicherheit bedrohen würde, ihren eigenen Sohn. Sie war geleitet von dem Wunsch, bei dieser Geburt zu helfen. Sie bewegte sich im unbewußten Rhythmus aller weisen Frauen, die tief in eine Mutter greifen, um ein Baby sicher ans Licht zu bringen. Alys' Puls war eins mit dem Baby, sie bewegte sich mit Catherine, paßte ihre Berührungen und das Ziehen dem Rhythmus der Geburt an. »Er kommt!« hauchte sie aufgeregt. »Er kommt!«
Der kleine Körper drehte sich wieder. Alys griff tief in Catherines Leib, packte den Schädel und die kleine Schulter und zog, stetig, behutsam.
Mit einem widerlichen Ruck durchbrachen ihre Finger die weiche Kruste des Schädels und durchbohrten seinen Körper, weich wie Seife. Ein Arm blieb ihr
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