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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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in der Hand, ein Schwall Flüssigkeit ergoß sich in ihre Hand. Alys schrie vor Entsetzen.
    Während sie schrie, preßte Catherine noch einmal, und ein Schwall weißen Schleims explodierte in Alys' Gesicht. Heiße, nasse Klumpen trafen ihren Mund, ihre Lippen, ihre Augen. Er klebte an ihren Händen, ihren Haaren, ihrem Kleid.
    »Nein! Nein! Nein!« schrie Alys und wehrte mit beiden Händen das Entsetzen von Catherines Bett ab. »Nein!«
    »Es ist Wachs!« schrie Alys starr vor Entsetzen. »Oh, mein Gott, es ist Wachs!«
    Sie wich zum Fenster zurück, mit wachsverklebten Händen, verbarg ihr Gesicht, auf dem sich kleine Wachstropfen verhärteten.
    »Oh, mein Gott, oh, mein Gott«, sagte sie immer und immer wieder. »Es ist Wachs.«
    Catherine stöhnte noch einmal, dann blieb sie reglos liegen.
    »Mein Gott! Es ist Wachs!« Alys wiederholte die Worte, bis sie ihre Bedeutung verloren hatten und nur noch Entsetzensschreie waren. »Wachs! Kerzenwachs! Wachs!«
    Alys griff in ihr Gesicht, kratzte die trocknenden Tropfen von ihrer Haut ab, erschauerte vor dem Wachs unter ihren Nägeln. Sie kratzte an ihren Händen, den Handflächen. Sie war von Kopf bis Fuß mit dem Zeug verklebt. »Ich werde nie wieder sauber!« schrie sie hysterisch. »Kerzenwachs! Das krieg ich nie wieder weg!«
    Catherine lag auf dem Rücken und hörte kein Wort von Alys' irrsinnigem Gewimmer. Ihr Körper hatte seinen Unrat abgestoßen, und sie war erschöpft und leer. Es dauerte lange Minuten, ehe sie sich bewegte, und dann legte sie eine Hand auf ihren Bauch und tätschelte ihn fassungslos. Er hatte seine Form verloren. Er war immer noch fett, fleischig und wabbelig, aber er ragte nicht mehr stolz empor. Das Kind war weg. Sie richtete sich langsam, mühsam in den Kissen auf und schaute hinunter auf die verklebten Laken und auf Alys, die mit dem Rücken an die Wand gelehnt, Haare und Gesicht vom Wachs verklebt, die Augen schwarz vor Entsetzen, hektisch zupfte und zupfte und zupfte — an ihrer Haut, ihrem Haar, ihrem Kleid.
    »Was ist das?« hauchte Catherine entsetzt. »Was ist das für ein Zeug? Was ist mit mir passiert?«
    Alys schluckte, würgte, schluckte wieder. Sie sah fassungslos ihre grabschenden Hände an und hielt sie mit Mühe still. Sie holte tief Luft. »Ihr habt kein Kind«, krächzte sie schließlich. »Euer Kind ist weg.«
    Catherine beugte sich vor und steckte einen Finger in den weißen Schleim. »Das war mein Kind?« fragte sie.
    Alys schüttelte den Kopf. »Es war nie ein Kind, jedenfalls keines aus Fleisch und Blut«, sagte sie. »Das ist Wachs aus Eurem Körper.« Ihre Stimme schnappte über, sie schlug sich die Hand vor den Mund, um den Entsetzensschrei zu ersticken. »Nur Ausfluß«, sagte sie leise. »Kein Baby.«
    Catherines Gesicht sah eingefallen aus. »Kein Kind?« fragte sie. »Kein Sohn für Hugo?«
    Alys schüttelte den Kopf, wagte nichts zu sagen, aus Angst, ihre Stimme könnte versagen.
    Die beiden Frauen starrten sich einen Augenblick lang an, stumm vor diesem Grauen.
    »Erzähl es ihm nicht«, sagte Catherine. Ihre Stimme war brüchig, dem Irrsinn nahe. »Erzähl ihm nicht, daß es so war.«
    Alys merkte, daß sie wie besessen ihre Hände aneinanderrieb.
    »Erzähl keinem, was passiert ist«, flehte Catherine sie inständig an. »Sag ihnen, es war eine Fehlgeburt. Ich will nicht, daß jemand davon erfährt. Keiner darf davon erfahren, von diesem... diesem Grauen!«
    Alys nickte stumm.
    »Wenn sie das erfahren...« Catherine verstummte. Sie musterte Alys' niedergeschlagenes, entsetztes Gesicht. »Wenn sie davon wüßten, würden sie mich verjagen«, sagte sie sehr leise. »Sie würden sagen, ich bin — unnatürlich.«
    Alys rang verzweifelt ihre Hände, rieb das Wachs weg. Es klebte zwischen ihren Fingern. Mit schnellen, hektischen Bewegungen kratzte sie an ihren Fingernägeln.
    Catherine starrte sie an. »Wie kann denn so etwas passieren?« fragte sie. »Alys? Du hast doch viele Geburten gesehen. Wie kann so etwas nur passieren?«
    Alys stutzte. Deutlich sah sie vor ihrem inneren Auge die Wachspuppe von Catherine, mit ihrem runden Wachsbauch, und die kleinen Klumpen Wachs, aus denen sie die Rundung des Bauches geformt hatte. Sie hatte die Wachspuppe von Catherine mit dem riesigen Wachspenis der Puppe Hugos begattet. Sie hatte der Wachspuppe ihren Willen aufgezwungen, ihr gesagt, das Baby müßte ein Abbild seines Vaters werden, seines Wachsvaters. Morachs Warnung, daß sie »manchmal falsch verstehen«, tauchte in

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