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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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desjenigen, der ihr Meister ist, der über diese Erde schleicht und Seelen sucht. Die wahre Kirche Englands wird euch schützen, indem sie alle Hexen aufspürt und mit Stumpf und Stiel ausrottet, bis hin zur letzten Wurzel.«
    Alles schwieg. Stephen war beeindruckend. »Ja«, sagte Alys. »Wir müssen alle dankbar sein für Eure Wachsamkeit.«
    Er wandte sich zu ihr. »Ich habe die Ungerechtigkeit Eures Gottesurteils nicht vergessen«, sagte er so leise, daß keiner außer ihr ihn hören konnte. »Ich bewahre es in meinem Herzen, damit ich nicht vergesse, papistische Praktiken wie das Gottesurteil zu vermeiden und mich in solchen Dingen nur auf mein eigenes Urteil zu verlassen. Ich verhöre — verhöre im Angesicht der Streckbank und dann mit Folter, aber nur wenn es unbedingt notwendig ist, aber ich werde nie wieder eine Hexe mit einem Gottesurteil prüfen. Es war ein Fehler, daß ich mich an jenem Tag von Lord Hugh und Lady Catherine dazu zwingen ließ. Diesen Fehler habe ich nie wieder gemacht.«
    »Aber Ihr foltert?« fragte Alys. Ihre Stimme zitterte ein wenig. Sie nippte an ihrem Wein.
    »Nur wo es vorgeschrieben ist, diejenigen, die einer Straftat verdächtig sind«, erwiderte Stephen mit sanfter Stimme. »Das Gesetz ist in diesen Dingen sehr strikt. Zuerst kommt das Verhör, dann wird dem Gefangenen die Streckbank gezeigt, dann wird wieder verhört, und erst danach ist das Verhör unter Folter erlaubt. Wenn ich weiß, daß ich Gottes Werk in dieser gottlosen Welt fortführe und dem Gesetz in dieser gesetzlosen Welt gehorche, dann kann ich meine Pflicht ohne Zorn und bösen Willen erfüllen und brauche nicht zu fürchten, daß ich durch meine eigene Blindheit Fehler begehe.«
    Alys streckte ihre Hand wieder nach dem Wein aus. Sie sah, daß sie zitterte. Sie versteckte ihre Hände im Schoß.
    »Und wer ist die Hexe, die Ihr heute gefangen habt?« fragte sie.
    »Die alte Frau, die Ihr bezichtigt habt«, sagte Stephen. »Die alte Frau, die am Fluß im Moor lebt. Wir waren dort auf der Jagd und begegneten den Soldaten, die sie über die Grenze nach Westmorland bringen sollten — nach Eurem Wunsch.«
    »Das muß ein Irrtum sein«, keuchte Alys. »Ich habe sie nie bezichtigt, eine Hexe zu sein. Sie hat mir angst gemacht. Sie hat mich im Wald überrascht. Sie hat mich bei einem anderen Namen genannt. Aber sie war eine harmlose alte Frau. Keine Hexe.« Alys' Puls pochte so heftig in ihrem Kopf, daß sie kaum reden konnte. Und sie war so kurzatmig, daß sie ihre Worte vorsichtig wählen mußte.
    Stephen schüttelte den Kopf. »Als wir angehalten haben, um zu sehen, ob die Soldaten sie auch gut behandeln — Soldaten machen gerne Spielchen, wie Ihr wißt—, hat sie gefragt, wer wir seien, und als wir Hugos Namen nannten, hat sie ihn verflucht.«
    »Das würde sie nie tun!« rief Alys.
    Stephen nickte. »Sie hat ihn Zerstörer des Klosters und heiliger Orte genannt. Sie sagte, er würde ohne Erben sterben, weil er Sünder sei, und die Rache Gottes würde ihn treffen. Sie hat ihn beschworen, Buße zu tun, ehe noch mehr Frauen den Schleim des Teufels gebären würden. Und sie hat ihn angefleht, eine Frau namens Ann gehen zu lassen. Das war das letzte, was sie gesagt hat — laß sie gehen!«
    »Das ist furchtbar«, sagte Alys. »Aber doch bloß das verrückte Geschwätz einer irren alten Frau.«
    Stephen schüttelte den Kopf. »Mein Bischof hat mich beauftragt, diese Hexen ausfindig zu machen«, sagte er. »In jedem Dorf gibt es eine, Dutzende in jeder Stadt. Wir müssen sie ausmerzen. Die Menschen sind schwach, in schlechten Zeiten laufen sie zu diesen Hexen, anstatt zu fasten und zu beten. Der Teufel ist überall, und wir leben in unruhigen Zeiten. Wir müssen die Hexen bekämpfen.«
    Alys rang sich ein zittriges Lachen ab. »Ihr macht mir angst!« protestierte sie.
    Stephen unterbrach. »Verzeiht mir«, sagte er. »Das wollte ich nicht. Ich bin so erfüllt von meiner Aufgabe, daß ich Euren Zustand und die Empfindlichkeit Eures Geschlechts vergaß.«
    Eine kleine Pause entstand.
    »Und diese verrückte alte Frau«, sagte Alys beiläufig. »Werdet Ihr sie nicht laufen lassen? Es würde mir leid tun, wenn meine Beschwerde gegen sie diese Anklage ausgelöst hätte.«
    Stephen schüttelte den Kopf. »Ihr begreift den Ernst des Verbrechens nicht«, sagte er. »Wenn sie von ihrem Gott spricht, ist es offensichtlich, daß sie vom Teufel spricht, denn wir wissen, daß Gott niemals Menschen verflucht. Wir entreißen täglich

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