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Die weise Frau

Die weise Frau

Titel: Die weise Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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er. »Ich habe mit dir nicht reden können, seit der Nacht des Gottesurteils.«
    Alys dachte an den Beutel an ihrem Gürtel, in dem die Puppen immer noch sicher verwahrt waren. Sie hatte ihn unter dem Strohsack in ihrem Zimmer verborgen.
    »Nein«, sagte sie.
    »Du hast gelogen, nicht wahr?« fragte Hugo mit sanfter Stimme. »Als du ihnen gesagt hast, du wärst heiß auf mich und daß du die falsche Prophezeiung gemacht hättest, um mich zu fangen?«
    Alys zuckte die Achseln, als wäre es nicht weiter wichtig. »Das war eine Lüge, aber ich kenne die Wahrheit nicht«, sagte sie langsam. »Ich kann mich wirklich nicht an diese Nacht erinnern.
    Ich erinnere mich daran, wie Ihr mich aus der Halle getragen habt, aber an mehr nicht.«
    Hugo nickte. »Du hast mich also nicht begehrt?« fragte er. »Du hast gelogen, als du es gesagt hast. Du hast mich damals nicht begehrt, und du begehrst mich auch jetzt nicht?«
    Alys drehte ihren Kopf und sah ihn an. Eine Hälfte ihres Gesichts war rosig vom Feuerschein, die andere war von flackernden Schatten verhüllt. Hugo spürte, wie ihm der Atem stockte.
    »O ja«, sagte sie leise. »Ich begehre dich. Ich glaube, ich begehre dich, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ich bin in die Große Halle gekommen und habe dein Gesicht mit den tiefen, harten Falten gesehen — und dann dein Lächeln. Damals habe ich mich in dich verliebt, in diesem Augenblick, in dein lebensfrohes Lächeln. Ich hasse es, wenn du mit ihr zusammen bist, ich hasse den Gedanken, daß du sie berührst. Ich kann nicht schlafen, wenn ich weiß, daß du bei ihr bist. Und ich träume von dir, ständig. O ja, ich begehre dich.«
    »Alys«, flüsterte Hugo. Er streckte die Hand aus, um ihre Wange zu berühren, nahm ihr Gesicht in seine Handfläche, als wäre es eine seltene wunderschöne Blume. »Meine Alys«, sagte er.
    Alys stockte der Atem. »Kannst du mich fühlen?« fragte sie, nahm seine Hand von ihrer Wange und untersuchte sie sorgfältig .
    »Willst du mir die Zukunft weissagen?« fragte Hugo amüsiert.
    Alys drehte seine Hand und sah sich die kurzen, sauberen Nägel an. Sie drehte die Hand wieder und betrachtete die einmaligen Linien auf den Fingerspitzen.
    »Kannst du mich fühlen?« fragte sie noch einmal. »Kannst du meine Berührung spüren?«
    »Natürlich«, sagte Hugo verwirrt.
    »Mit jeder Fingerspitze? Jeder einzelnen?« fragte sie.
    Er lachte kurz. »Natürlich«, sagte er. Die Worte brachen aus ihm heraus, als wären sie zu lange aufgestaut gewesen. »Mein einer Schatz, meine Alys, natürlich kann ich deine Berührung spüren. Ich habe gewartet und gewartet, daß du deine Hand nach meiner ausstreckst. Natürlich kann ich dich fühlen!«
    »Wenn ich flüstere, so wie jetzt«, hauchte Alys, »kannst du mich dann hören?«
    »Ja«, sagte Hugo überrascht. »Natürlich kann ich das. Ich habe gute Ohren, Alys, das weißt du.«
    Alys streckte ihre Hand nach seinem Gesicht aus und strich mit unendlicher Zärtlichkeit über seine Augenlider und die zarte, faltige Haut unter seinen dunklen Augen.
    »Kannst du mich sehen?« fragte sie. »Siehst du genauso gut wie immer?«
    »Ja«, sagte Hugo. »Was soll das, Alys? Hast du Angst, ich bin krank?«
    Alys faltete ihre Hände im Schoß und schaute wieder ins Feuer.
    »Nein«, sagte sie. »Es ist nichts. Eine Zeitlang wollte ich, daß du blind und taub mir gegenüber bist. Heute Nacht weiß ich, daß das nicht stimmt. Es hat nie gestimmt. Vielleicht ist meine Sehnsucht nach dir stärker als alles andere. Vielleicht ist meine Sehnsucht nach dir stärker als die nach Geborgenheit. Vielleicht sogar noch stärker...«, sie verstummte, »als alles andere.«
    Hugo runzelte die Stirn. »Was soll das heißen, ›alles andere‹? Ist das irgendeine Kräutermedizin oder ein Altweibertrick?«
    Alys nickte. »Ich wollte, daß du mich nicht anschaust«, sagte sie. »Ich fürchtete Lady Catherines Eifersucht. Danach — nachdem sie mich zu dem Gottesurteil gezwungen hat — wußte ich, daß sie mich zu einer neuen Probe zwingen würde. Und früher oder später hätte ich versagt.«
    Hugo nickte. »Und dann hast du irgendeinen albernen Kinderzauber gemacht, um mich von dir fernzuhalten, nicht wahr?« fragte er leicht belustigt. »Du mußt ja den Glauben an deine Kräfte verlieren, Alys. Denn hier bin ich, und ich sehe dich, berühre dich, höre dich und begehre dich.«
    Alys strahlte, als ob sich plötzlich ein Licht in ihr auftat.
    Hugo lachte. »Natürlich«, sagte er

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