Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds
Aufmerksamkeit der Presse ebenso wie die der Autohändler erregte und einer noch skeptischen Öffentlichkeit demonstrierte, dass das Automobil keineswegs bloß eine technische Spielerei war. Beim ersten Autorennen in Daytona Beach fuhr er selbst einen Olds mit frisiertem Motor. Im Jahr 1903 war er mit 4000 verkauften Fahrzeugen erfolgreicher als alle anderen Autohersteller; zwei Jahre später waren es 6500. Olds baute, wie sich erwies, das erste serienmäßige Automobil in der Geschichte Amerikas.
Trotz harten Konkurrenzkampfs blieb der Erfolg nicht aus. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gab es hunderte Firmen, die sich mit der Herstellung von Automobilen befassten. Und weil es noch an festen Vorstellungen mangelte, wie ein Auto aussehen oder welche Art Motor es haben müsse, boten diese Werkstätten eine verwirrende Vielfalt von Wagen an, einschließlich der oben erwähnten, mit Dampfkraft und Batterie getriebenen Modelle. Der Sieg des Verbrennungsmotors war nicht vorgezeichnet. So hatte etwa Thomas Edison ein batteriegetriebenes Fahrzeug entwickelt, worauf 1899 ein weiser Kopf prophezeite, dass »die ganzen Vereinigten Staaten einmal mit elektrischen Aufladestationen übersät sein« würden. Es gab eine Zeit, als ein Drittel aller Wagen auf amerikanischen Straßen elektrisch angetrieben wurde. In ähnlicher Weise wurde die Dampfkraft von vielen Leuten als die »natürlichste« Antriebsform für Autos betrachtet, weil die Erzeugung von Dampf sich doch bei der Eisenbahn und bei Schiffen so gut bewährt hatte. In den ersten drei Jahren ab 1900 existierten über 100 Hersteller solcher Autos; das erfolgreichste Modell – der Stanley Steamer – wurde aufgrund seines Fahrkomforts und seiner Höchstgeschwindigkeit zur Legende: 1905 schraubte es den Rekord auf fast 206 Kilometer pro Stunde.
Noch im Laufe des Jahrzehnts begann diese Konkurrenz aber zu verblassen. Elektrisch angetriebene Wagen mussten unterwegs allzu oft aufgeladen werden. Dampfkraft-Vehikel brauchten zu lange, um aufzuheizen. Entscheidend war freilich, dass die Hersteller von Wagen mit Verbrennungsmotor vorab kräftig in Techniken zur Massenproduktion investierten und den Massenmarkt zu erschließen vermochten. Olds hatte als erster Automobilhersteller Bauteile von Zulieferern bezogen, statt sie alle selbst anzufertigen, während Cadillac als erstes Unternehmen standardisierte Teilfabrikate, die Herstellzeit und -kosten reduzierten, verwendete. Und natürlich war es dann Ford, der die Branche revolutionierte – mit der Fließbandproduktion und seiner unbeirrbar verfolgten Strategie, ein einziges Modell so billig wie möglich herzustellen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs existierten in den USA noch über 100 Automobilhersteller – da waren aber bereits mehr als 400 Unternehmen entweder von der Bildfläche verschwunden oder übernommen worden, auch die Olds Motor Works, die von General Motors aufgekauft wurden.
Was Ransom E. Olds persönlich angeht, so hat er sich des frühen Erfolges seines Unternehmens nie wirklich freuen können, weil er es aufgrund einer Auseinandersetzung mit den Söhnen von Samuel Smith schon nach wenigen Jahren verließ. Er gründete schließlich eine neue Firma (REO), aber seine Zeit war vorbei. Was er begonnen hatte, war von Henry Ford, in dessen Unternehmen zur Zeit des Ersten Weltkrieges fast die Hälfte der amerikanischen Autos gebaut wurde, zu Ende geführt worden. Von Fahrzeugen, die elektrisch oder mit Dampfkraft angetrieben wurden, sprach keiner mehr. Es gab auch keine verwirrende Fülle unterschiedlichster Designs und Größen mehr. Man wusste, wie ein Automobil auszusehen hatte: nämlich wie ein Ford-T.
Die Frühgeschichte der US-Automobilindustrie ist keineswegs einzigartig. Die meisten Branchen in den USA folgten in ihrer Entwicklungsphase ähnlichen Mustern – von den Eisenbahnen bis zu Fernsehgeräten, Heimcomputern und, in jüngster Zeit, dem Internet. Bei allen ist der Anfang gekennzeichnet durch eine ungeheure Menge von Alternativen, die sich, was Design und Technologie betrifft, oft radikal unterscheiden. Mit der Zeit sondert der Markt Gewinner und Verlierer und entscheidet darüber, welche Technologien reüssieren und welche untergehen. Die große Mehrzahl der Unternehmen scheitert, geht Bankrott oder wird von anderen Konzernen geschluckt. Zu guter Letzt überleben nur wenige, die den Markt weitgehend beherrschen.
Das mag in Entwicklung und Durchsetzung neuer Technologien wie Verschwendung
Weitere Kostenlose Bücher