Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds
von Geschäftsleuten und Wissenschaftlern aus dem Mittleren Osten selbst – von Personen also, die wahrscheinlich an der PAM-Börse mitgemacht hätten – Wertvolles beigetragen haben.
Nun, nachdem NetExchange – jenes Unternehmen, das mit der Projektierung von PAM beauftragt gewesen war – im Jahr 2004 einen neuen Versuch mit der überarbeiteten Version eines öffentlichen Policy Analysis Market startete (diesmal ohne jegliche Beteiligung von Regierungsseite), harren wir gespannt der Dinge. NetExchange hat vorsorglich zu verstehen gegeben, es sei nicht Zweck dieses Marktes, Terrorakte, sondern vielmehr allgemeine wirtschaftliche, soziale und militärische Entwicklungen in der Region zu prognostizieren. So werden die mit PAM verbundenen Hoffnungen vielleicht tatsächlich an der Realität erprobt werden, statt einfach nur ad acta gelegt worden zu sein. Es ist außerdem denkbar, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass die amerikanischen Abwehr- und Nachrichtenkreise die Idee interner Prognosenmärkte am Ende doch noch zur Bündelung verstreuter Informationsbruchstücke und zur Bildung zusammenhängender Prognosen sowie zu strategischpolitischen Empfehlungen umsetzen werden. Vielleicht würde die CIA dann »ein Wettsalon«, wie die Senatoren Wyden und Dorgan sich abschätzig auszudrücken beliebten. Eines aber ist uns von Wettmärkten bekannt: Bei Zukunftsvorhersagen sind sie sehr gut.
FÜNFTES KAPITEL
Aufforderung zum Tanz:
Koordinieren ist ein schwieriges Geschäft
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Dem Leben auf den Straßen und Bürgersteigen von New York City hat niemand je so viel Aufmerksamkeit gewidmet wie William H. Whyte, der Autor des soziologischen Klassikers Organization Man . Whyte wurde 1969 mit dem (später so genannten) »Street Life Project« betraut und verbrachte einen Großteil seiner folgenden 16 Lebensjahre schlicht damit, genauestens zu beobachten, wie New Yorker sich in ihrer Stadt bewegten. Ihm gelang es dabei, mit seinem jungen Forscherteam ein bemerkenswertes Datenmaterial zusammenzutragen. Es macht verständlich, wie Leute die Parks benutzen, sich auf stark bevölkerten Bürgersteigen voranbewegen und sich im regen Straßenverkehr verhalten. Whytes Studien sind unter dem Titel City veröffentlicht worden und voll interessanter Erkenntnisse hinsichtlich Architektur und Stadtplanung; sie machen deutlich, wie notwendig es für Kommunalverwaltungen ist, Sorge zu tragen, dass ein reges Leben auf den Straßen erhalten bleibt. Im Übrigen stellen sie ein Hoheslied auf den urbanen Fußgänger dar. »Der Fußgänger ist ein soziales Wesen«, schrieb Whyte, »und außerdem eine wunderbar komplexe und effiziente Transporteinheit.« Wie Whyte nachwies, sind Fußgänger selbst auf drangvollen Bürgersteigen zu einem erstaunlich raschen Schritttempo imstande, ohne dabei mit anderen zusammenzustoßen, ja, oft zeigen sie sich gerade im dichtesten Gewühl von ihren besten Seiten. »Ein guter Fußgänger«, so stellte Whyte fest, »geht für gewöhnlich ein wenig zu einer Seite geneigt, sodass er dem Vorangehenden über die Schulter blicken kann. Mit solcher Position sichert er sich die höchstmögliche Manövrierfreiheit, und die vorausgehende Person macht ihm gewissermaßen schützend den Weg frei.«
New Yorker beherrschen Künste wie den »einfachen Passierschein«, bei dem lediglich ein leichtes Verringern der Schrittgeschwindigkeit nötig ist, um eine Kollision mit einem Entgegenkommenden zu vermeiden. Bei Straßenübergängen bilden sie zum Schutz gegen den Verkehr Zugeinheiten. Im Allgemeinen, so schrieb Whyte, »gehen sie schnell und behände. Sie nehmen und geben, sind gleichzeitig offensiv und zuvorkommend. Sie geben einander ihre Absichten mit kaum merklichen Körpersignalen bekannt. So entsteht in Augenhöhe eine bewegungsreiche und farbig lebendige Szene mit Menschen, die geschwind gehen, mit Schlendernden, Menschen, die Schritte überspringen, sich in Überholformationen ein- und ausfädeln, beschleunigen und verlangsamen, um sich der Bewegung anderer anzupassen. All solche Beobachtungen offenbaren eine faszinierende Schönheit.«
Was Whyte wahrnahm – und uns zu erkennen lehrte -, ist die Schönheit einer wohl koordinierten Menschenmenge, in der zahllose kaum merkliche Angleichungen in Geschwindigkeit, Schrittweise und Ausrichtung in einem ziemlich reibungslosen, zielvollen Fluss zusammenkommen. Unter Fußgängern findet ein stetes wechselseitiges Einander-Vorwegnehmen statt. Niemand sagt ihnen, wo sie wann oder
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