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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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andererseits die allgemeine Meinung vorherrscht, das Lokal werde an diesem Freitagabend nicht überfüllt sein, werden sie natürlich sämtlich dorthin gehen; es wird folglich knüppeldicke voll sein und niemand dort einen schönen Abend verbringen. (Dieses Dilemma kommt in einer beinahe schon klassischen Bemerkung Yogi Berras über den Toots-Shor’s-Nightclub zum Ausdruck: »Dort geht keiner mehr hin, weil er immer überfüllt ist.«) Damit die Kneipe Woche für Woche, Abend um Abend genügend, aber nicht zu viele Gäste hat, muss ein Weg gefunden werden, um die Entscheidungen aller Interessierten anzugleichen.
    Rein theoretisch wäre diese Art von Problem natürlich ganz einfach zu lösen. Es bedürfte lediglich eines omnipotenten zentralen Planers – in unserem Fall also nur so etwas wie eines Über-Türstehers sozusagen -, der alle potenziellen Gäste wissen lässt, wann ihnen Einlass gewährt wird. Er würde Woche um Woche täglich manchen den Eintritt gestatten, andere abweisen und auf diese Weise sicherstellen, dass sein Lokal nie überfüllt ist. Eine solch theoretisch vorstellbare und sinnvolle Lösung des Problems wäre allerdings in der Praxis inakzeptabel. Eine derartige zentrale Steuerung würde, selbst wenn sie sich bewerkstelligen ließe, einen allzu massiven Eingriff in die Freiheit der Wahl bedeuten. Wir wollen ja, dass alle Leute, die das Lokal gern besuchen möchten, sich dort auch aufhalten können, selbst wenn es ihnen den Abend verderben mag. Jede diskutable Lösung hat vom Recht des Menschen auszugehen, sein Handeln selbst zu bestimmen, das heißt, sie muss sich aus dem kollektiven Mix der individuellen Entscheidungen aller potentiellen Kneipenbesucher ergeben.
    Ist für dieses Problem überhaupt eine befriedigende Lösung zu finden? Diese Frage hat sich anfangs der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Wirtschaftswissenschaftler Brian Arthur gestellt. Er sprach damals vom »El-Farol-Problem« – nach einer Bar in Santa Fe, die an Abenden, wenn irische Musik gespielt wurde, gedrängt voll war. Brian Arthur brachte das Problem auf folgende Formel: Wenn El Farol an einem Abend zu 60 Prozent voll ist, wird jeder Gast zufrieden sein; darüber hinaus aber wird sich dort keiner mehr wohl fühlen. Folglich werden die Leute nur dann hingehen, wenn sie glauben, dass die Kapazität der Bar lediglich zu 60 Prozent ausgelastet ist; sonst bleiben sie weg.
    Wie wird sich an einem bestimmten Freitag nun jeder für sich entscheiden? Aus der Tatsache, dass es auf eine solche Frage keine eindeutig klare, also keine mathematisch deduzierbare Antwort gab, folgerte Arthur, dass die Leute sich unterschiedlicher Strategien bedienen würden. Ein Teil nähme an, dass an diesem Freitagabend ebenso viele Leute kämen wie in der Woche zuvor. Andere würden ihre Entscheidung von der Zahl der Gäste abhängig machen, die sich bei ihrem letzten persönlichen Besuch dort aufgehalten hatten. (Arthur postulierte die Möglichkeit herauszufinden, wie viele Menschen sich auch an den Abenden im El Farol aufgehalten hatten, wenn man selbst nicht da gewesen war.) Manche würden als Basis für ihre Überlegungen vom Durchschnittsbesuch der letzten Wochen ausgehen, wieder andere vermuten, die diesmalige Höhe der Frequentierung müsste im Gegensatz zur vorherigen Woche ausfallen. (War El Farol am vergangenen Freitag leer, so müsste es dort nun berstend voll werden.)
    Danach führte Arthur eine Reihe von Computerexperimenten durch, die den Besuch von El Farol über einen Zeitraum von 100 Wochen simulieren sollten. (Er schuf eine Gruppe Computeragenten, versah sie mit unterschiedlichen Strategien und schickte sie dann an die Arbeit.) Dabei stellte er fest: Da die »Agenten« unterschiedliche Strategien befolgten, fluktuierte die Zahl der Bargäste von Woche zu Woche in hohem Maße. An diesen Fluktuationen war keinerlei Regelmäßigkeit zu erkennen; sie schienen willkürlich, zeigten keinerlei Muster. Manchmal war El Farol während drei oder vier Wochen in Folge zu mehr als 60 Prozent, in anderen Zeiträumen über vier oder fünf Wochen zu weniger als 60 Prozent ausgelastet. Es gab demzufolge auch keine Strategie, auf die sich ein Einzelner dauerhaft verlassen konnte und die ihm gewährleistet hätte, jedes Mal die richtige Entscheidung zu treffen. Es war vielmehr so, dass Strategien für eine Weile funktionierten und dann wieder aufgegeben werden mussten.
    Die Fluktuationen besagten: An manchen Freitagabenden war El Farol

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