Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
Vom Netzwerk:
Ken Livingstones Verkehrsplanung in ähnlicher Weise eine Investition von etlichen Millionen Pfund Sterling für das öffentliche Verkehrssystem vor. Eine alternative Idee hat der Verkehrsingenieur Carlos Daganzo entwickelt, derzufolge es allen Autofahrern gestattet sein sollte, die Straßen, die sonst mautpflichtig sind, an bestimmten Tagen kostenfrei zu nutzen. Auf die Weise wäre eine allgemein sinnvolle Nutzung der Autobahnen beziehungsweise von Schnellstraßen gewährleistet, statt dass sie hauptsächlich Reichen zur Verfügung stünden, die sich solche Verkehrsräume zu erkaufen in der Lage wären.
    Ein realistisches Kosten-Nutzen-System würde selbstverständlich um vieles komplizierter ausfallen als die Londoner Lösung mit dem Ganztagsansatz von fünf Pfund Sterling. Vickrey hat deshalb beispielsweise ein Szenario entworfen, in dem der Verkehr durch ein auf die jeweils konkret gegebenen Verhältnisse »reagierendes Gebührensystem« reguliert wird. Wie viel ein Autofahrer für die Benutzung einer Straße zahlen müsste, hinge demgemäß von der zu ebendieser Zeit auf dieser Straße herrschenden Verkehrsdichte, von der Witterung oder von der Art des benutzten Fahrzeugs ab. Wenn die Interstate 5 zwischen Sacramento und San Francisco plötzlich wegen eines liegen gebliebenen Sattelschleppers verstopft wäre, würde ihre Befahrung mehr kosten, was vermutlich viele Fahrer auf andere Routen umleiten und verhindern würde, dass die Stausituation außer Kontrolle geriete. Technisch wäre so ein System heute machbar, politisch jedoch nicht durchzusetzen. Ein extrem differenziert reagierendes Gebührensystem könnte möglicherweise zudem mehr Ärger verursachen, als es wert wäre. (Wäre es etwa vernünftig, wenn man bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern komplizierte Kosten-Nutzen-Rechnungen anstellen müsste?) Eine Vernetzung der Autobahnen mit Verkehrssensoren oder eine Ausrüstung der Autos mit umfassenden Ortungsprogrammen würde allerdings unbegrenzte neue Möglichkeiten eröffnen.
    So grob das Londoner System aber auch sein mag – es ist bislang erfolgreicher, als die meisten Nichtökonomen für möglich gehalten hätten. Der Verkehr ging um 20 Prozent, die Stauung erheblich zurück, und einer Studie zufolge können Autos dort jetzt um 40 Prozent schneller fahren. (Damit kommen sie zwar auch nur auf 19 Kilometer pro Stunde – aber das ist doch immerhin schon etwas.) Inzwischen geht die Hauptsorge dahin, der Plan könne den Verkehr allzu sehr reduziert haben. Eine Maut für Stoßzeiten soll die Leute ja nicht vom Autofahren abbringen. Ökonomisch betrachtet – ökologische Gesichtspunkte wollen wir hier außer Acht lassen – ist es eigentlich kaum besser, wenn eine Fernstraße zu wenig als wenn sie zu stark befahren wird. Eine Stoßzeitenmaut hat die Aufgabe, die Teilnahme am Verkehr besser zu koordinieren, indem sie die Leute dazu veranlasst, die Vorteile des Fahrens mit eigenem Auto gegen die Nachteile abzuwägen, die man damit allen anderen zufügt. Im Fall Londons waren die Befürchtungen eines Verkehrsrückgangs allerdings stark übertrieben. Die Straßen sind noch immer voller Autos. Sie kommen lediglich besser voran. Und, wichtiger noch, der heutige Verkehrsfluss ist ein echteres Spiegelbild des realen Wertes, den die Leute dem Autofahren beimessen. Im Augenblick zumindest herrscht in London ein vernünftigerer Verkehr.

2
    Es ist eine zweifellos tröstliche Vorstellung, dass Verkehrsstaus sich einfach durch die richtige Bemessung von Mautgebühren ausmerzen lassen – ganz besonders, wenn man gerade seit ein paar Stunden auf dem Cross Bronx »Expressway« feststeckt. Und es ist ja in der Tat so: Viele Verkehrsstockungen kommen nur dadurch zustande, dass einfach zu viele Autos unterwegs sind. Als Fahrer sollten wir zwei Sekunden Abstand zwischen den Wagen halten. Unter der Voraussetzung vermag eine Autobahnspur stündlich 1800 Autos zu bewältigen. Nun verhalten die meisten von uns sich am Steuer aber nicht so vorsichtig, wie es eigentlich angeraten schiene. Bei zügigem Verkehr kann es vorkommen, dass eine kalifornische Autobahn pro Spur stündlich von 2400 Fahrzeugen beansprucht wird. Doch ob es nun 1800 oder 2400 sind – falls sich die Anzahl der Autos mithilfe eines Vickrey-Gebührensystems unter diese Marke bringen ließe, würde es zur Beseitigung von Verkehrsknoten beitragen, die durch einfache Staubildung verursacht werden.
    Die zahllosen sonstigen Schwierigkeiten, die das

Weitere Kostenlose Bücher