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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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bringen und das Individualverkehrsaufkommen um 20 Prozent reduzieren.
    Der Plan ging von einer einfachen Grundüberlegung aus: Wer mit dem PKW in die Innenstadt fuhr, verschlechterte die Verkehrslage und bürdete allen Mitbürgern Lasten auf, zu deren Begleichung er selber nichts beitrug. Wenn Sie persönlich Fahrer eines solchen Wagens waren und im Stau steckten, während auf Bürgersteigen Kleinkinder vorbeisausten, mag es Ihnen so vorgekommen sein, dass Sie ohnehin schon einen viel zu hohen Preis zahlten. Den amtlichen Staukostenberechnungen zufolge war dem allerdings keineswegs so. Das neue Mautsystem stellte einen Versuch dar, die offenen Rechnungen zu begleichen.
    Verkehrsstaus mithilfe von Gebühren zu regulieren – als Idee kursiert so etwas seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die maßgeblichen Anstöße zu ihrer Weiterentwicklung gab William Vickrey, ein Wirtschaftswissenschaftler, der mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Vickrey betrachtete die verfügbaren Straßenkapazitäten einfach unter dem Gesichtspunkt einer knappen Ressource: Um diese nun vernünftig zu verteilen, bedarf es einer Methode, allen potenziellen Interessierten Kosten wie Vorteile ihrer Nutzung bewusst zu machen. Nun können die Hauptzufahrtsstraßen von Großstädten traditionell von Hinz und Kunz kostenfrei genutzt werden, und darum werden sie natürlich auch von Hinz und Kunz zu den täglichen Stoßzeiten beansprucht – wiewohl eigentlich allen Verkehrsteilnehmern gedient wäre, wenn manche mit dem Auto früher beziehungsweise später in die Stadt führen, andere statt im PKW mit öffentlichen Verkehrsmitteln kämen und wieder andere ihre Arbeit daheim verrichteten. Würde die Nutzung solcher Einfallstraßen dagegen mit Mautgebühren belegt, so hätten die Leute Grund, differenziertere Überlegungen anzustellen; dann würden sie unterschiedliche Antworten geben auf die Frage: »Wie viel ist mir diese Anfahrt eigentlich wert?« Und demgemäß würden sie sich von ihrem Arbeitsplatz auch früher oder später auf die Heimfahrt machen, mit dem Zug reisen oder die Möglichkeiten heutiger Telekommunikation zur Heimarbeit nutzen, statt alle miteinander um 18.30 Uhr die Interstate 95 zu verstopfen.
    Es ist eine schöne, theoretisch einleuchtende Idee – wenn sie in die Praxis umgesetzt werden sollte, war es allerdings jedes Mal ungemein problematisch, sie den Leuten zu »verkaufen«. In London hatte Livingstone massive Widerstände seitens starker Lobbygruppen zu überwinden. In den Vereinigten Staaten erwies sich jeder Versuch dieser Art bisher von vornherein als aussichtslos. Amerikaner zahlen schon ungern Maut für Autobahnen und Brücken. Der Gedanke, während der Stoßzeiten noch zusätzlich fürs Autofahren zur Kasse gebeten zu werden, ist ihnen zutiefst verhasst. Den meisten kommt es so vor, als würden sie dadurch ihres Rechtes beraubt, selbst zu entscheiden, wann und wie sie zwischen der Wohnung und dem Arbeitsplatz pendeln; die Vorstellung, dass die Wohlhabenden sich das Recht erkaufen könnten, auf leeren Schnellstraßen dahin zu brausen, während alle übrigen dafür auch noch längere Wege in Kauf nehmen müssten, verletzt den amerikanischen Gerechtigkeitssinn. Wir Amerikaner leiden lieber unter den Folgen des dichten Verkehrs, als dass wir es einigen wenigen gestatten, sich solche Freiheit mit Geld zu erkaufen. Folglich gelangten die Autoren einer Untersuchung über den gescheiterten Versuch, für die Brücke der Bucht von San Francisco eine Maut zu einer Regulierung der Staus einzuführen, denn auch zu folgendem Resultat: Sowohl die Wählerschaft als auch die politische Klasse müssten zuerst einmal davon überzeugt werden, dass dazu überhaupt keine Alternative existiert, bevor sie eine Lösung nach dem Vickrey-Modell zu akzeptieren bereit wären. Die wenigen Ausnahmen, insbesondere in New York City, wo die Nutzung gewisser Brücken und Tunnel zu Stoßzeiten gebührenpflichtig ist, bestätigen die Regel.
    In anderen Lebensbereichen haben wir uns mit Vergleichbarem seltsamerweise jedoch abgefunden. Telefonate sind tagsüber teurer, Drinks während der Happy Hour billiger, und ein Aufenthalt in Las Vegas kostet an Wochenenden mehr als unter der Woche. Das sind Beispiele für nachfrageorientierte Preise: Ist der Bedarf groß, werden die Preise angehoben; ist er gering, werden sie reduziert. Wenn es ums Autofahren geht, würden die Amerikaner diese ökonomische Grundregel jedoch am liebsten ignorieren.
    Es

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